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Veranstalter
Stil: Indie | Heimat: Leipzig
Januar 2023, Leipzig. Die Stadt scheint seit Monaten in Schatten getaucht, mangelnder
Sonnenschein wird höchstens durch das Flimmern trashiger Leuchtreklame und das
Aufblitzen penetranter Autoscheinwerfer ersetzt. Im eiskalten Halbdunkel spazieren Gwen
Dolyn und Steffen Israel über matschig-karge Freiflächen, vorbei an archaischen
Fabrikgebäuden und verblassten Schwarz-Chrom-Graffitis. Die beiden saugen die
Atmosphäre in sich auf — das Dreckswetter, das öde Treiben, die abweisenden Blicke der
Späti-Verkäuferin, diesen hartnäckigen Geruch von Tristesse — bevor sie sich hastig in
traute Gemütlichkeit zurückflüchten. Genauer: ins mit alten Teppichen ausgelegte Studio
von Produzent Simon Freidhöfer. In diesem Setting erwächst Stück für Stück das
Ichbewusstsein einer Band, die sich TRÄNEN nennt und nach Monaten galanter
Geheimniskrämerei am 30. Juni 2023 mit "Stures dummes Herz" das erste Stück Musik in
die Welt entlässt.
TRÄNEN haben seit Jahresbeginn mit der deutschen Indie-Szene Verstecken gespielt.
Im
Januar machte ein mysteriöses Instagram-Profil die Runde — zu sehen war damals lediglich
ein animierter TRÄNEN-Schriftzug, flackernd, wellig, auf schwarzem Hintergrund.
Darunter kein Text, nur rätselhafte Emojis. Kurz später ging eine Strecke analoger Fotos
online — statt Personen zeigte sie Synthesizer, Gitarrenhälse und einen frostig -dystopischen Sonnenuntergang. Ein paar Wochen später, endlich, wenn auch verwaschen:
Gesichter. In einer Konstellation, die wohl niemand erwartet hätte. Links: Gwen Dolyn, die
seit 2020 mit Punk-Attitüde den deutschsprachigen Progressive-Pop-Untergrund aufmischt
und begleitet von ihrer Band "Toyboys" längst zum Postergirl der "NNDW" avanciert ist. Auf
der anderen Seite: Steffen Israel, Gitarrist der Chemnitzer Band "Kraftklub".
Gwen Dolyn und Steffen Israel dürften vom der Größe ihres Projektes TRÄNEN anfangs
selbst überrascht gewesen sein — zunächst war da lediglich Gwens die Idee, den
Deutschpunk-Klassiker "Duell der Letzten" von "Chaos Z" neu zu interpretieren. Steffen hatte
Bock sich zu beteiligen, man traf sich im Studio. Innerhalb kürzester Zeit wuchs aus einer
klassischen Punk-Cover-Version eine innovativere Reprise: ein modernes 2Duell der
Letzten«, das zackig und doch dreamy, hämmernd und zugleich harmonisch, angewidert
und dennoch wehmutvoll klingt. Erstaunlich organisch, improvisiert, beinahe kopflos war
eine eigenständige Sound-Ästhetik gefunden, getragen von sinistrer New Wave-Aura,
klangschönen Pop-Passagen, nachhallenden Vocals, 80’s-esken Synthieflächen und
dominanten Gitarrenläufen. Warum also nicht einen zweiten Song schreiben, oder gar einen
dritten?
Machen wir es kurz: am Ende einer etwa einjährigen kreativen Reise steht mit "Haare eines
Hundes" nun ein komplettes TRÄNEN-Album inklusive ausgeklügelt-cineastischem
Begleitwerk. In Sound und Bild spiegelt sich die eingangs beschriebene winterliche
Monotonie, gleichzeitig aber auch die entschlossene Wut gegen eben jene, das
Ausbruchsmomentum auch der kollektiven Resignation: "Haare eines Hundes" lebt von
Retro-Aura und graumeliertem Farbenspiel, vom Mut zur Schmutzigkeit, von bizarrer
Taktung und gleichzeitiger symphonischer Fülle. Chorale Episoden und sonore Ohrwurm-Momente zerstäuben in verwaschenen Brüchen, Epochalität und Rotzigkeit liegen nur
Millimeter voneinander entfernt, verknoten sich zwischen Temporeichtum und kleinen
Momenten des Augenzwinkerns. Das bindende Element im Feuerwerk: Gwen Dolyns
Stimme. Und, na klar, diese unverwechselbaren Texte voll nahbarer Bedrücktheit und
findigem Gedankenspiel, die mal an "Wir sind Helden", mal an "Hans-A-Plast" und mal an "Ideal" erinnern — "liebt ihr mich mehr, wenn Randale nur ein Wort ist für Kapitulation?"
Ein exemplarisches Beispiel für Gwens regellose Schreibkunst und Steffens
eigenbrötlerisches Melodienverständnis ist "Stures dummes Herz", die allererste Single in
der TRÄNEN-Geschichte. Was bei oberflächlichem Hinhören einen euphorischen Lovesong
vermuten lässt, entpuppt sich in Wahrheit als das exakte Gegenteil. Ist "Stures dummes
Herz" vielleicht ein eigenanalytisches Selbstgespräch? Es scheint ein komplexer Disput im
Auge desolater Gefühlskonstrukte, eine Ode aufs Verkomplizieren mit versöhnlichem Ende
zu sein: "der Kick geht mitten in den Bauch, aber mit dir halt’ ich es aus". Der Song baut
sich immer wieder neu zu einer vielspurig-pulsierenden Kulisse auf, bevor er sich
formenreich-verspielt dem nächsten Tapetenwechsel unterzieht und in jedem neuen Refrain
hymnenhaft aufblüht. (Quelle: Veranstalter)
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