„Der III. Weg“ – Neonazi-Kaderschmiede in Parteiform

Artikel von firm (2021)

„Frei, sozial und national!“ Diese und weitere Parolen wie „Deutscher Sozialismus – Jetzt!“ rufen die Anhänger*innen der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ auf ihren martialisch inszenierten Aufmärschen und stellen damit einen direkten Bezug zum historischen Nationalsozialismus her. Zuletzt war eine solche öffentliche Machtdemonstration vor Beginn der Corona-Pandemie am 1. Mai 2019 im vogtländischen Plauen zu sehen, als hunderte gleichgekleidete und in Reih und Glied marschierende Demonstrationsteilnehmende dem Nationalsozialismus huldigten. Kaum eine Gruppierung trägt die Verehrung der NS-Zeit so eindeutig zur Schau wie „Der III. Weg“. In Bayern ist er die aktivste neonazistische Organisation.

In Plauen ist auch Karl-Heinz Statzberger aus München, ein seit vielen Jahren umtriebiger rechtsextremer Aktivist und Chef des hiesigen lokalen Ablegers des „III. Wegs“, mit dabei. An seinem Beispiel zeigt sich, wie eng rechtsextreme Ideologie und Gewaltbereitschaft zusammenhängen – ein gerade mit Blick auf den „III. Weg“ beunruhigender Zusammenhang. Statzberger wurde 2005 wegen der Planung eines Sprengstoffanschlages auf die Grundsteinlegung des jüdischen Zentrums in München zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Damals war er noch Mitglied der Kameradschaft München-Nord, anschließend wichtiger Akteur im neonazistischen und seit 2014 verbotenem „Freien Netz Süd“ (FNS) und heute führendes Mitglied des „III. Wegs“ in München und Umgebung.

Geschichte

Die neonazistische Partei „Der III. Weg“ wurde im September 2013 vom ehemaligen rheinland-pfälzischen NPD-Funktionär Klaus Armstroff in Heidelberg gegründet. In Bayern ersetzte sie die Organisation des verbotenen FNS, der bis dahin wichtigsten Dachstruktur der neonazistischen Kameradschaftsszene Bayerns. Wichtige Aktivist*innen des FNS hatten durch die Länge des damaligen Verbotsprozesses genügend Zeit, neue Organisationsstrukturen zu schaffen und waren schon längst im „III. Weg“ organisiert, noch bevor das FNS-Verbot letztendlich umgesetzt wurde.

Die Hinwendung zur Parteipolitik ist insofern als strategischer Schachzug zu sehen, um etwaigen zukünftigen Verbotsverfahren aus dem Weg zu gehen. Der Status als Partei bietet zudem immense praktische Vorteile, z. B. bei der Anmeldung von Demonstrationen, Konzerten und anderen Veranstaltungen. 2019 trat „Der III. Weg“ erstmals mit einem relevanten Ergebnis zu Wahlen an und erhielt bei der Europawahl bundesweit rund 12 750 Stimmen. Im gleichen Jahr konnte der Parteiaktivist Tony Gentsch in den Kommunalwahlen sowohl ein Mandat für den Stadtrat im sächsischen Plauen mit 3,7% sowie im Kreistag des Vogtlandkreises mit 1,7% der Wähler*innenstimmen erringen.

Organisationsstruktur

Die Parteistruktur ist in sogenannte Stützpunkte eingeteilt, die wiederum in Gebietsverbänden zusammengefasst werden. Im bayerischen „Gebietsverband Süd“ sind fünf Stützpunkte aktiv, wobei für München und Umgebung der von Statzberger geführte „Stützpunkt München/Oberbayern“ zuständig ist. Zur Bundestagswahl 2021 wurden zusätzlich zwei neue Landesverbände – in Bayern und Sachsen – gegründet. Landesvorsitzende in Bayern ist die Oberpfälzerin Jasmine Eisenhardt, ihr Stellvertreter ist Karl-Heinz Statzberger, der auf der bayerischen Liste zur Bundestagswahl auf Listenplatz eins kandidiert.

Zusätzlich zur Schaffung der formalen Struktur der Partei ist es ihr Ziel, Anlaufstellen und Infrastruktur für die politische Agitation zu schaffen. Dafür wurden bereits zwei Parteibüros in Plauen (Sachsen) und Siegen (Nordrhein-Westfalen) aufgebaut. Auch der bayerische Ableger der Partei gibt an, ein vergleichbares Angebot im Freistaat schaffen zu wollen.

Ideologie

Die Partei „Der III. Weg“ bezeichnet sich selbst als „national, revolutionär und sozialistisch“. In Abgrenzung zum Kommunismus und Kapitalismus soll laut der Partei ein „Deutscher Sozialismus“ als dritte und beste Form von Gesellschaft verstanden werden – daher der Name „Der III. Weg“. Programmatik, Auftreten und Aktionen sind deutlich radikaler als beispielsweise bei der NPD. Ihrem Selbstverständnis nach ist der „III. Weg“ dabei eine, wie sie es nennt, „ganzheitliche“ Partei, womit gemeint ist, dass sie Angebote zu jedem Lebensbereich bereitstellen möchte, sei es Sport, Kultur, Kindererziehung, Gestaltung des sozialen Umfelds oder politischer Aktivismus. Oftmals soll dies durch parteiinterne „Arbeitsgemeinschaften“ (AG) gewährleistet werden, so richtet sich beispielweise die „AG Jugend“ an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, um sie in das Parteinetzwerk zu integrieren und mit neonazistischen Werten zu sozialisieren. Die „AG Körper & Geist“ ist dagegen eine Initiative, in welcher Parteimitglieder durch Kampfsport-Trainings „körperlich und geistig fit“ werden sollen. Gegen hedonistische Gelüste und für Härte, ist die Devise, weshalb unter anderem der Verzicht auf Alkohol und Drogen propagiert wird. Ziel ist es in jedem Fall, durch Disziplin Aktivist*innen auszubilden, die als sich als Elite einer revolutionären nationalistischen Bewegung mit dem rassistischen Ziel eines „Deutschland den Deutschen“ verstehen. Der Titel eines vom „III. Weg“ herausgegeben Handbuchs für Parteimitglieder heißt nicht ohne Grund „Der Nationalrevolutionär“. Die Partei fungiert somit nach innen gerichtet als Kaderschmiede, in der vollständig eingebundene und hochgradig überzeugte Neonationalsozialist*innen ausgebildet werden sollen.

Nach außen erinnern die parteipolitischen Positionen im mit nur zehn Punkten extrem knapp gehaltenen Parteiprogramm an eine komprimierte Version des 25-Punkte-Programms der NSDAP. Unter anderem mit den Forderungen nach einer „raumgebundenen Volkswirtschaft“ mit Verstaatlichung sämtlicher Schlüsselindustrien, Betrieben der allgemeinen Daseinsfürsorge, Banken, Versicherungen sowie aller Großbetriebe und „Wiedereinführung der Todesstrafe“ tauchen auch Inhalte von damals wieder auf. Zu diesem „Deutschen Sozialismus“ kommen völkische Forderungen nach „Förderung von kinderreichen Familien zur Abwendung des drohenden Volkstodes“ und der „Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes“ hinzu. Im völkischen Denken wird die Volksgemeinschaft als biologischer „Fakt“ angesehen und die Zugehörigkeit zur Gruppe durch die biologische Abstammung definiert. Die bürokratische Umsetzung dieses Denkens war im Nationalsozialismus der „Arier-Nachweis“. An die Forderung nach mehr „deutschen Kindern“ schließt sich ein äußerst starres Geschlechterrollenmodell an. Im traditionellen und patriarchalen Familienbild der Partei soll die Hausfrau für die Kindererziehung zuständig sein und den arbeitenden, politisch aktiven Mann unterwürfig unterstützen. Ein weiteres erklärtes Ziel ist die „Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen“. Der „III. Weg“ nennt etwa Österreich immer noch in NS-Manier „Ostmark“. Die Partei hängt damit der Idee eines auch von Adolf Hitler angestrebten Großdeutschen Reiches nach.

Ein zentrales Thema der Partei ist die Hetze gegen Asylsuchende und ihre Unterkünfte. Im Internet veröffentlichte der „III. Weg“ eine mittlerweile gelöschte Deutschlandkarte mit den Adressen von Geflüchtetenunterkünften und zeichnete damit ein klares Feindbild, gegen wen sich Unterstützer*innen der Partei zu „wehren“ hätten. Es wird weiter auch Leitfaden zur Verhinderung von Unterkünften in der eigenen Nachbarschaft zum Download angeboten. Immer wieder gibt es auch Flugblattverteilaktionen und Kundgebungen gegen Flüchtlinge in bayerischen Kommunen. Auf der Partei-Website wird gegen vermeintliche ausländische Sexual- und Gewalttäter gehetzt, wobei durchgängig das N-Wort und abwertende Begriffe wie „Asylant“ verwendet werden. Auch Antisemitismus ist Teil der Weltanschauung des „III. Wegs“. Die Partei versucht unter anderem, die Finanzierung jüdischer Einrichtungen durch öffentliche Gelder zu skandalisieren. Feindbild ist daneben Israel. Der jüdische Staat wird als „zionistischer Terrorstaat“ oder „imperialistischer Aggressor“ im Nahen Osten dämonisiert, es findet sich zudem eine Anleitung zum Boykott israelischer Produkte im Online-Auftritt der Partei.

Der „III. Weg“ kann zusammenfassend als äußerst radikal im weltanschaulichen Denken und politischen Agieren beschrieben werden, wobei der starke Bezug auf den historischen Nationalsozialismus keinen Zweifel offen lässt, welches gesellschaftliche Vorbild die Partei im Kopf hat.

Aktivitäten

Der „III. Weg“ ist neben seiner politischen Arbeit in Deutschland international gut vernetzt. In der Vergangenheit organisierte die Partei Gruppenfahrten zu anderen rechtsextremen Organisationen, so z.B. nach Griechenland oder Ungarn. Enge Verbindungen unterhalten die deutschen Neonazis zur „Nordischen Widerstandsbewegung“, die in verschiedenen skandinavischen Ländern aktiv ist, und in die Ukraine, wobei hier vor allem das rechtsextreme und paramilitärische „Regiment Asow“ ihr Ansprechpartner ist.

In München und Umgebung ist der „III. Weg“ vor allem mit Kundgebungen, sogenannten „nationalen Streifen“ – bürgerwehrähnliche Patrouillen, um die vermeintlich durch „Ausländer“ oder „Linke“ gefährdete öffentliche Sicherheit wiederherzustellen – und Flugblätterverteilungen präsent. Zeitweise nahmen Parteimitglieder an Veranstaltungen von PEGIDA-München teil und hielten dort Reden. Auch bei verschiedenen Anti-Corona-Protesten waren Aktivist*innen des „III. Wegs“ vor Ort.

Der „III. Weg“ organisiert zu einigen Terminen jährliche Events. Dazu gehört traditionell der 1. Mai, sowie verschiedene Formen des „Heldengedenkens“. Mit „Helden“ sind meist entweder wichtige NS-Funktionäre gemeint, wie beispielsweise NS-Reichsminister Rudolf Heß beim Gedenkmarsch in Wunsiedel, oder „deutsche Opfer“, wie bei verschiedenen Gedenkveranstaltungen für Tote des angeblichen „alliierten Bombenterrors“. In München wird außerdem jährlich des Holocaustleugners und ehemaligen Wehrmachtssoldaten Reinhold Elstner gedacht, der sich am 25. April 1995 vor den Stufen der Feldherrnhalle u.a. aus Protest gegen die sogenannten „Wehrmachtsausstellungen“ selbst anzündete.

Gefahrenpotential

Die Kleinstpartei „Der III. Weg“ konnte sich in den vergangenen Jahren als Ersatzorganisation des verbotenen FNS festigen und als zentraler Bezugspunkt der bayerischen Neonazi-Szene etablieren. Durch das Aufbauen rudimentärer Parteistrukturen und Antreten bei offiziellen Wahlen scheint sich die neonazistische Gruppierung vorerst erfolgreich unter dem Schutzmantel des Parteienprivilegs gegen etwaige zukünftige Verbotsbemühungen abgesichert zu haben. Doch die Funktion der Partei als Kaderschmiede zur Ausbildung eines „nationalrevolutionären“ Märtyrertums und einer politischen Schicksalsgemeinschaft macht den „III. Weg“ äußerst gefährlich. Nicht nur am Beispiel Statzbergers zeigt sich ein rechtsterroristisches Potential in der Partei. Die Kontaktdaten des heutigen stellvertretenden Parteivorsitzenden Matthias Fischer wurden etwa auf einer Adressliste des späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos gefunden. Seit Frühjahr 2021 muss sich das ehemalige „III. Weg“-Parteimitglied Susanne G. aus Franken vor dem Oberlandesgericht in München verantworten, da sie mutmaßlich Morddrohungen als Briefe, denen scharfe Patronen beilagen, an eine Moscheegemeinde, einen Flüchtlingshilfeverein und Lokalpolitiker*innen verschickt haben soll. Außerdem wurden bei ihrer Festnahme alle notwendigen Bauteile für Brandsätze gefunden, weshalb ihr zusätzlich die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen wird.

„Der III. Weg“ stellt damit eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar und sollte nicht unwidersprochen bleiben. Hierbei sind sowohl zivilgesellschaftlicher Protest als auch konsequentes behördliches Handeln gefragt.