Antifeminismus und Queerfeindlichkeit: Eine reale Gefahr für queere Menschen und Einrichtungen

Artikel von firm (2025)

Im April wurde der Christopher Street Day (CSD) in Schönebeck von der Polizei vorzeitig beendet. Bereits Anfang Mai rief die neonazistische Gruppierung „Pforzheim Revolte“ zum Protest gegen den für August geplanten CSD in Bautzen auf. Und am 31. Mai 2025 fuhren mehrere Münchner Mitglieder der extrem rechten „Identitären Bewegung“ zu einer Demonstration mit anschließender Feier in Chemnitz, um den Auftakt des sogenannten „Stolzmonats“ zu begehen – eine 2023 von der extremen Rechten initiierte Kampagne, die sich explizit gegen den Pride Month richtet. Queerfeindlichkeit und Antifeminismus sind keine Randthemen – sie stellen zentrale ideologische Bezugspunkte für eine Vielzahl extrem rechter, konservativer und religiös-fundamentalistischer Akteur*innen dar. Proteste gegen Drag-Lesungen – wie im Juni 2023 in München – oder gezielte Kampagnen gegen CSD-Paraden zeigen, wie unterschiedlichste Gruppierungen – von der AfD über Burschenschaften bis hin zu christlichen Fundamentalistinnen – gemeinsam agieren. Besonders alarmierend: Eine neue, zum Teil sehr junge Generation von Neonazis tritt offen queer- und explizit schwulenfeindlich auf. Das CeMAS – Center für Monitoring, Analyse und Strategie – analysiert darin einen gefährlichen Rückfall in die Muster der 1990er Jahre.

Antifeminismus als ideologischer Kitt und Türöffner 

Antifeminismus fungiert dabei als ideologisches Scharnier: Er schafft Brücken zwischen extrem rechten, konservativen und vermeintlich „gemäßigten“ Milieus. Über Geschlechterbilder, Rollenverständnisse und Anti-Gender-Narrative finden Gruppen zueinander, die sonst politisch oder weltanschaulich kaum gemeinsame Schnittmengen haben. Genau darin liegt die Gefahr: Antifeminismus bietet niedrigschwellige Anknüpfungspunkte für Ressentiments, die längst in der gesellschaftlichen Mitte angekommen sind. 

Die Autoritarismus-Studie 2024 der Heinrich-Böll-Stiftung belegt eindrücklich, wie weit verbreitet trans- und queerfeindliche Einstellungen sind. Besonders hoch ist die Zustimmung zu entsprechenden Aussagen in Ostdeutschland: Rund 60 % der Befragten stimmen dort der Aussage zu, dass die Toleranz gegenüber „Transsexuellen“ (1) übertrieben sei – im Westen sind es immerhin 40 %.

Diese Abwehrhaltungen entstehen nicht im luftleeren Raum 

Extrem rechte Akteur*innen greifen gezielt gesellschaftliche Verunsicherungen auf – etwa durch soziale Ungleichheit, Zukunftsängste oder Veränderungen traditioneller Strukturen. Sie bieten einfache Feindbilder an, um komplexe Realitäten scheinbar erklärbar zu machen. Die Folge: Queere Menschen werden zum Sündenbock. Juliane Lang und Marie Reusch zeigen im Rahmen des GeRDea-Projekts, wie es der antifeministischen und queerfeindlichen Allianz gelingt, insbesondere junge Menschen emotional zu mobilisieren. Die Wut richtet sich dann gegen jene, die vermeintlich vom gesellschaftlichen Wandel profitieren: trans Personen, queere Communities, feministische Initiativen. Diese Emotionalisierung zeigt sich in konkreten Kampagnen – gegen das Selbstbestimmungsgesetz, gegen Drag-Lesungen, gegen queere Aufklärung in Schulen, gegen den Pride Month und CSD-Paraden. 

Das Autor*innenkollektiv feministische Intervention dokumentierte 2024 Störungen und Angriffe im Umfeld von 68 der insgesamt 200 CSD-Veranstaltungen – darunter Übergriffe auf Teilnehmende und Infrastruktur. Die Mobilisierungen des militanten Neonazi-Spektrums erreichten damit Ausmaße, wie sie bislang vor allem bei Themen der NS-Verherrlichung zu beobachten waren. 

Was als „Kulturkampf“ inszeniert wird, ist in Wahrheit ein Angriff auf demokratische Grundwerte und die körperliche Unversehrtheit vieler Menschen. Die vorgeschobene Rhetorik vom „Kinderschutz“ oder der „Verteidigung der Tradition“ tarnt das eigentliche Ziel: die Rücknahme feministischer und queerer Errungenschaften und das Festhalten an einer autoritären, binären Geschlechterordnung. 

Was bedeutet das konkret? 

Für queere Menschen und Einrichtungen bedeutet dies eine reale Gefährdung. Neben zunehmender Hetze in sozialen Medien nehmen auch Bedrohungen und physische Gewalt zu. Die Morddrohungen gegen das LeZ und das Sub in München im vergangenen Jahr sind nur ein Beispiel. Erst kürzlich wurde in Österreich ein rechtsextremes Netzwerk aufgedeckt, das gezielt Jagd auf queere Menschen machte – unter dem Vorwand, es handle sich bei den Opfern um Pädophile. Die bayerische LGBTIQ*-Beratungsstelle Strong! berichtet im Mai 2025 von einem erneuten Anstieg gemeldeter Vorfälle – darunter auch schwere Körperverletzungen. 

Die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München beobachtet diese Entwicklungen mit großer Sorge. Neben Monitoring und Aufklärung zum Thema Antifeminismus braucht es gezielte Präventionsarbeit. Politische Bildung muss gestärkt und Sicherheitskonzepte bei Veranstaltungen überprüft und angepasst werden – insbesondere in der Pride Season. Staatliche Stellen sind gefordert, ausreichende Ressourcen bereitzustellen und das Gefährdungspotenzial von Veranstaltungen der queeren Community realistisch einzuschätzen und darauf entsprechend zu reagieren. 

Melden Sie antifeministische Vorfälle auf der Plattform München Chronik: Zum Meldeformular. 

(1) Der Begriff „Transsexuell“ ist veraltet und unpräzise, wurde hier jedoch zitiert, da er im Studiendesign der Autoritarismus-Studie 2024 verwendet wurde.