Insgesamt gibt es rund 65 Studierendenverbindungen in München (Stand: März 2024) und damit so viele wie in keiner anderen deutschen Studentenstadt. Da München im Vergleich zu anderen korporierten Hochburgen wie Göttingen oder Tübingen mehr Einwohner*innen zählt, ist ein Vergleich, der sich rein auf die Anzahl beruft, jedoch nicht besonders aussagekräftig.
Neben den eher bekannten Verbindungstypen wie Corps oder Burschenschaften gibt es musische, technische oder Sportverbindungen. Aus diesem Spektrum gibt es auch in München einige gemischtgeschlechtliche, nichtschlagende Bünde, die beispielsweise im Akademischen Turnerbund, dem Schwarzburgbund oder dem Passauer Senioren-Convent organisiert sind. Diese Verbindungen bilden aktuell eine Minderheit, ihnen wird von reinen Männer- beziehungsweise Damenverbindungen mit Skepsis und Ablehnung begegnet, da Korporierte häufig heteronormative Vorstellungen vertreten beziehungsweise Geschlechterdifferenzen naturalisieren. Entsprechend sehen viele in gemischtgeschlechtlichen Verbindungen eine Bedrohung für den Lebensbund insbesondere durch romantische Beziehungen.
Die ersten gemischtgeschlechtlichen Verbindungen entstanden Ende der 1960er Jahre vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer Transformationsprozesse, die insbesondere durch die antiautoritäre Studierendenbewegung vorangetrieben wurden. Die Zahl der Studierenden an deutschen Universitäten war insgesamt stark angestiegen, zudem erhöhte sich der Anteil an Studentinnen, und nicht zuletzt vertraten viele Studierende die Auffassung, dass Studierendenverbindungen nicht mehr zeitgemäß seien. „Eine Folge dieser Entwicklungen waren zum Teil massive Nachwuchsprobleme, denen man unter anderem mit der Aufnahme von Studentinnen begegnen wollte.“ Eine Garantie für das Fortbestehen von Verbindungen waren solche Öffnungen hingegen nicht, wie der Widerstand gegen die Aufnahme von Frauen in die Freie Burschenschaft Alchemia zu München zeigt.
Trotz der Gründungen von Damenverbindungen und gemischtgeschlechtlichen Verbindungen ist das Verbindungswesen bis heute in jeglicher Hinsicht männerdominiert.
Akademische Turnverbindung
Stadtbezirk: Schwabing-Freimann
Couleur: blau-gold-rot (farbenführend)
Die Akademische Turnverbindung München (ATV) gründete sich 1878 und ist eine nichtschlagende, farbenführende und konfessionell ungebundene Verbindung, in die seit 1991 sowohl männliche als auch weibliche Student*innen aufgenommen werden. Sie ist Mitglied im Akademischen Turnbund (ATB), der nach eigenen Angaben „weltanschaulich und parteipolitisch neutral” ist und dem laut Webseite etwa 600 Studierende aus 35 Korporationen angehören. Die ATV bietet in ihrem Haus in Schwabing neun Zimmer. Das Haus liegt in der vor allem in der Rush Hour viel befahrenen Dietlindenstraße direkt gegenüber dem Haus der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Moenania.
Akademischer Gesangsverein München
Stadtbezirk: Altstadt-Lehel
Couleur: altrot-weiß (farbenführend)
Der Akademische Gesangsverein München (AGV) gründete sich 1861 und ist ein nichtschlagender, farbenführender Männerbund. Die musische Verbindung ist Mitglied im Sonderhäuser Verband (SV) und verfügt über 17 Zimmer in ihrem Vereinshaus „Scholastika“ in der Münchner Altstadt. Der AGV bezeichnet sich selbst als „gesellschaftlich liberal”, da politische und religiöse Einstellungen „niemals Vereinsziel” gewesen seien. Nach eigenen Angaben ist die Verbindung im Jahr 2022 mit über 80 aktiven Mitgliedern, 20 Füxen und 650 Alten Herren die größte Studentenverbindung Deutschlands.
Akademischer Maschinen-Ingenieur-Verein
Stadtbezirk: Maxvorstadt
Couleur: schwarz-gold-schwarz (farbenführend)
Der Akademische Maschinen-Ingenieur-Verein (AMIV) gründete sich 1872 und ist ein nichtschlagender, farbenführender Männerbund. Neben einem Haus in der Luisenstraße verfügt die Studierendenverbindung noch über ein Wohnheim in der Erzgießereistraße in der Münchner Maxvorstadt mit insgesamt zwölf Zimmern. Die Verbindung hat sich mit zwei weiteren Verbindungen im Miltenberg-Wernigerorder-Ring (MWR) zusammengeschlossen.
Akademischer Seglerverein München
Herrsching
Couleur: weiß-blau (farbenführend)
Der 1901 gegründete Akademische Seglerverein München ist ein fakultativ schlagender, farbenführender Männerbund. Die Studierendenverbindung verfügt über ein großzügiges Seegrundstück mit Haus und mehreren Booten in Herrsching am Ammersee. Die Verbindung ist im Verband Akademischer Seglervereine (ASV) organisiert.
Jagd-Corps Artemis
Stadtbezirk: Maxvorstadt
Couleur: schwarz-silber-rot-silber-goldes Band
Das 1984 gegründete Jagd-Corps Artemis ist ein pflichtschlagender und farbentragender Männerbund. Die Verbindung ist Mitglied im Kongress Akademischer Jagdcorporationen (KAJC), der farbentragende Männerbünde zusammenfasst und sich selbst als „politisch, weltanschaulich und religiös neutral“ bezeichnet. Als Adresse gibt die Verbindung auf ihrer Webseite die Augustenstraße 109 an, dieselbe Adresse also wie die der Burschenschaft Sudetia. Vor Ort gibt es jedoch keine Hinweise auf die Verbindung. Auch die Webseite des Corps ist seit einiger Zeit inaktiv, Besucher*innen finden lediglich die Kontaktmöglichkeiten, ein Logo sowie die Farben der Verbindung. Es ist deswegen davon auszugehen, dass die Verbindung inaktiv ist oder gar aufgelöst wurde.
Prager Universitäts-Sängerschaft Barden
Stadtbezirk: Schwabing-Freimann
Couleur: hellblau-weiß-hellblaues Band (Füchse: hellblau-weiß-hellblau), hellblaue Mütze mit schwarzem Schild, hellblau-weiß-hellblauem Band und weißer Umrandung oben
Die Prager Universitäts-Sängerschaft Barden ist ein 1869 gegründeter fakultativ schlagender Männerbund. Zwar stellen die Barden ihren Mitgliedern frei, Mensuren zu fechten, im Semesterprogramm sind jedoch „Pauktage“ aufgelistet. Organisiert sind sie in der Deutschen Sängerschaft (DS), die Ende 2022 insgesamt 17 Bünde und 27 Altherrenvereinigungen als Mitglieder zählte. Die Sängerschaft betreibt ein Studentenwohnheim im Münchner Stadtteil Schwabing. Das Haus liegt in einer viel befahrenen Straße in einem Gewerbegebiet und machte im Sommer 2021 einen renovierungsbedürftigen Eindruck.
Studentische Verbindung Akademische Ingenieur-Verbindung-Brücke
Stadtbezirk: Ramersdorf-Perlach
Couleur: vermutlich schwarz-altrot-grünes Band (Füchse: unbekannt)
Die Studentische Verbindung Akademische Ingenieur-Verbindung-Brücke (AIV-Brücke) ist eine nichtschlagende Studierendenverbindung, in der sowohl Männer als auch Frauen Mitglied werden können. Das Wohnheim der Verbindung befindet sich in einem eher zweckmäßigen Plattenbau im Südosten Münchens.
Baltische Corporation Fraternitas Dorpatensis
Stadtbezirk: Schwabing-Freimann
Couleur: weiß-schwarz-weißes Band (Füchse: unbekannt), hellgrüne Mütze mit schwarzem Schild, Stickereien und weiß-schwarz-weißem Band
Die Baltische Corporation Fraternitas Dorpatensis ist eine 1948 gegründete, farbentragende Studierendenverbindung in München. Der Männerbund ist fakultativ schlagend, überlässt es nach seiner Satzung also den Mitgliedern, ob sie Mensuren fechten wollen. Das mehrstöckige Haus der Verbindung befindet sich in Schwabing und wurde im Sommer 2021 umfassend renoviert. Die Studentenverbindung Fraternitas Dorpatensis gehört keinem Dachverband an, ihre nicht mehr aktiven Mitglieder sind Teil des Baltischen Philisterverbands (BPHV).
Technische Verbindung Genia
Stadtbezirk: Maxvorstadt
Couleur: blau-gold-violettes Band (Füchse: unbekannt), blaue Mütze mit schwarzem Schild und vermutlich blau-gold-violettem Band
Die 1919 gegründete Technische Verbindung Genia ist eine nichtschlagende Studierendenverbindung, der Frauen und Männer beitreten können. Die Farben blau-gold-violett werden in der Regel nicht getragen.
Schwarzburgverbindung Herminonia
Stadtbezirk: Maxvorstadt
Couleur: schwarz-gold-grünes Band (Füchse: schwarz-grün), grüne Mütze mit goldenem Eichenkranz als Band und goldener Umrandung oben Die im Jahr 1900 gegründete Schwarzburgverbindung Hermionia ist eine nichtschlagende, gemischtgeschlechtliche Studierendenverbindung. Das Haus der Verbindung in der Münchner Maxvorstadt bietet Platz für zehn Studierende. Die Hermionia ist im Schwarzburgbund organisiert, einem sich christlich verstehenden Dachverband.
Münchener Gesellschaft
Stadtbezirk: Schwanthalerhöhe
Couleur: gelb-schwarz (farbenführend)
Die Münchener Gesellschaft ist ein nichtschlagender Männerbund, der den Präsidialconvent (PK) mitgegründet hat. Beim PK handelt es sich um einen Dachverband, der studentisches Gemeinschaftsleben fördern will und z.B. akademische Vorträge organisiert.
Wissenschaftliche Verbindung Palladia
Stadtbezirk: Schwabing-Freimann
Couleur: rosa-weiß-dunkelblaues Band (Füchse: dunkelblau-weiß-dunkelblau), rosa Mütze mit schwarzem Schirm, weiß-dunkelblauem Band und silberner Umrandung oben
Die 1876 gegründete Wissenschaftliche Verbindung Palladia ist ein nichtschlagender, farbentragender Männerbund ohne Mensurverbot. Die Verbindung nahm zu Beginn ausschließlich Studenten der Neueren Philologie auf, musste sich im Lauf ihres Bestehens aber immer weiter öffnen, da sie sich sonst hätte auflösen müssen. Bedroht wurde das Bestehen nach eigenen Angaben „durch den 68er-Zeitgeist“. Das großzügige Haus der Verbindung im Münchner Stadtteil Freimann wurde 2008 für 1,8 Millionen Euro erbaut und befindet sich in einer Siedlung mit Vorstadt-Flair. Die sogenannte „Konstante“ bietet Zimmer für 15 Personen.
Münchner Verbindung Rupprechtia
Stadtbezirk: Neuhausen-Nymphenburg
Couleur: weiß-gold-rotes Band (Füchse: weiß-rot), rote Mütze mit schwarzem Schirm, goldener Kordel und Stickereien oben und weiß-rotem Band
Die Münchner Verbindung Rupprechtia ist eine 1916 gegründete, nichtschlagende Absolventenvereinigung von Schülern des Rupprecht-Gymnasiums München. Die Verbindung wurde 1916 von Absolventen der damaligen Rupprecht-Kreisrealschule gegründet und versteht sich als Lebensbund. Aufgenommen werden deutsche Staatsangehörige, die Abitur gemacht und mindestens drei Veranstaltungen besucht haben. Die Rupprechtia ist im Dachverband Passauer-Senioren-Convent (PSC) organisiert, ihre sogenannte „Konstante“ war früher das Veranstaltungszentrum „Hansa-Haus“, aktuell ist es das Gasthaus „Ewiges Licht“. Mit der Alchemia pflegt(e) die Rupprechtia eine sogenannte Kneipgemeinschaft.
Verein Deutscher Studenten
Stadtbezirk: Maxvorstadt
Couleur: schwarz-weiß-rot (farbenführend)
Der 1885 gegründete Verein Deutscher Studenten ist eine farbenführende, nichtschlagende Studierendenverbindung. Der Männerbund ist Mitglied im Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt), auch Kyffhäuserverband genannt. Auf ihrer Webseite preist sich die Verbindung als „liberale Studentenverbindung, die stolz ist auf ihre Traditionen“. Laut Semesterprogramm gab es in der Vergangenheit Veranstaltungen mit Burschenschaften wie der Alemannia oder der Stauffia, die beide Mitglieder in der völkischen Deutschen Burschenschaft (DB) sind. Eine Abgrenzung zu extrem rechtem Gedankengut gibt es folglich nicht.
Die Verbindung hatte früher ein Haus im Münchner Norden, mittlerweile findet man die Verbindung im lebhaften Münchner Bahnhofsviertel.
Hinweis: Dieser Text wurde aus Kapiteln des Buches „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ entnommen und für die bessere Lesbarkeit leicht verändert.
Bilder
Bild 1: Das Haus der Akademischen Turnerverbindung im Münchner Stadtteil Schwabing-Freimann. Foto: firm
Bild 2: Die „Scholastika“ des Akademischen Gesangsvereins in der Münchner Altstadt. Foto: firm
Bild 3: Das Haus der Studierendenverbindung Akademischer Maschinen-Ingenieur-Verein in der Münchner Maxvorstadt. Foto: firm
Bild 4: In Herrsching am Ammersee verfügt der Akademische Seglerverein über ein großzügiges Seegrundstück. Foto: firm
Bild 5: Auch wenn von außen nichts darauf hindeutet, das Jagd-Corps Artemis gibt als Adresse das Haus der Burschenschaft Sudetia in Schwabing-Freimann an. Foto: firm
Bild 6: Das Haus der Prager Universitäts-Sängerschaft Barden im Münchner Stadtteil Schwabing-Freimann. Foto: firm
Bild 7: Das Haus der studentischen Verbindung Akademische Ingenieur-Verbindung-Brücke in Ramersdorf-Perlach. Foto: firm
Bild 8: Das Haus der Baltischen Corporation Fraternitas Dorpatensis im Münchner Stadtteil Schwabing. Foto: firm
Bild 9: Die Technische Verbindung Genia verfügt über Räumlichkeiten im Gemeindehaus von St. Benno in der Münchner Maxvorstadt. Foto: firm
Bild 10: Das Haus der Schwarzburgverbindung Hermionia in der Münchner Maxvorstadt. Foto: firm
Bild 11: Das Haus im Stadtteil Schwanthalerhöhe das die Münchner Gesellschaft als Adresse angibt. Foto: firm
Bild 12: Das Haus der Wissenschaftlichen Verbindung Palladia liegt etwas außerhalb Münchens im Stadtteil Freimann. Foto: firm
Bild 13: Das Haus in der Münchner Maxvorstadt das der Verein Deutscher Studenten als Adresse angibt. Foto: firm
Quellen
Hinweis: Die genauen Quellenangaben entnehmen Sie bitte dem Buch "Gehorchen und herrschen".
Mielke, Anne: Frauen in Couleur. Akademische Frauenverbindungen und die Strategien weiblicher Gemeinschaftsbildungen in einer Männerdomäne, Dissertation, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen 2022
Kurth, Alexandra: Männer – Bünde – Rituale. Studentenverbindungen seit 1800, Frankfurt a.M./New York 2004
Akademischer Gesangverein: www.agv-muenchen.de/studentenverbindung/ (zuletzt abgerufen: 8.12.2022 um 9:11 Uhr)
Deutsche Sängerschaft: xn--deutsche-sngerschaft-kzb.de (zuletzt abgerufen: 8.12.2022 um 9:44 Uhr)
Wissenschaftliche Verbindung Palladia: www.palladia.de/palladia/geschichte/ (zuletzt abgerufen: 5.12.2022 um 12:29 Uhr)