„Jüngling in den reifen Jahren, willst du nehmen eine Frau, denke stets an die Gefahren, überleg‘ es dir genau. Hüte dich vor Liebesgaben, hüte dich vor schwacher Stund‘, willst du lieben ohne Plagen, kauf dir lieber einen Hund!
So ein Hund gehört dir immer, weil er dich als Herrn erkennt, bei einer Frau geschieht das nimmer, denn Gehorsam ist ihr fremd. Mitgift hat er freilich keine, aber eines weißt du ganz genau, so ein Hund wird immer treu sein – weißt du das von deiner Frau?“
Diese sexistische „Fuxenmimik“ auf der Webseite der Münchner Burschenschaft Stauffia ist ein Beispiel für den tiefsitzenden Sexismus, der in einer überwiegenden Anzahl von Studierendenverbindungen verankert ist. Das Münchner Corps Germania wirbt für seine Partys regelmäßig mit halbnackten Frauen, der Danube Bernd Kallina meint, dass „das links-ideologische EU-Projekt namens Gendermainstreaming […] die biologisch vorgegebene Rollenteilung zwischen Mann und Frau in grotesker Weise auf den Kopf zu stellen versucht“, der Coburger Convent behauptet in einer Stellungnahme zu sogenannten Ehrenduellen, dass sich Femizide ausschließlich in „archaischen Gesellschaften“ ereignen würden, und ignoriert damit wissentlich oder unwissentlich, dass auch in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner ermordet wird. Sexismus herrscht jedoch nicht nur in Männerbünden, auch in gemischtgeschlechtlichen und rein weiblichen Verbindungen wirken überkommene Geschlechtervorstellungen, die insbesondere für Frauen einschränkendere Konsequenzen haben als für Männer. Schädigt eine Bundesschwester das Ansehen ihres Bundes bspw. durch zu viel Alkoholkonsum oder – aus Sicht des Milieus – unangemessenes Sexualverhalten, muss sie mit Sanktionen rechnen.
Die Rolle der Frau im Männerbund
Frauen sind aus den Männerbünden ausgeschlossen, sie werden zum „Anderen“ gemacht und abgewertet, gelten meist nur als Manövriermasse ohne eigene Meinung oder Bedürfnisse. Gleichzeitig ist festzustellen, dass einige der Frauen oder Couleurdamen als Partnerinnen oder Ehefrauen nicht nur schmückendes Beiwerk sind, das man bei Bällen oder anderen passenden Gelegenheiten präsentieren oder über den Tanzboden ziehen kann. Frauen dürfen in Männerbünden zwar nicht mitentscheiden, beteiligen sich jedoch aktiv am Bundesleben. Sie sind somit eigenständige Ideologieträgerinnen und stützen so aktiv den Männerbund und die darin existierende und sich immer wieder neu konstituierende hegemoniale Männlichkeit.
Antifeministen der ersten Stunde
Männerbündische Korporationen, insbesondere Burschenschaften, fungieren gegenwärtig als eine der zentralen „Instanzen zur Aufrechterhaltung bestimmter Männlichkeitsideale und konservativer Vorstellungen des Geschlechterverhältnisse“. Die Ablehnung von Emanzipationsbestrebungen hat Tradition. Als die Erste Frauenbewegung u.a. gegen den Widerstand von Burschen erstritt, dass Frauen Zugang zu Universitäten erhielten, brachten sie damit die „Selbstverständlichkeit bestimmter männlicher Privilegien ins Wanken“. Die Reaktionen waren Abwehr und Abgrenzung von Weiblichkeit, die sich bis heute beobachten lassen. „In der antifeministischen Reaktion auf die Zweite Frauenbewegung ging es in erster Linie um eine Wiederbelebung traditioneller Wertvorstellungen.“ Statt Frauen biologistisch abzuwerten und dem Mann unterzuordnen, vertritt man eine Weltanschauung, die auf der Vorstellung beruht, dass es eine „natürliche Ordnung“ der Gesellschaft und eine „natürliche Ungleichheit“ zwischen Männern und Frauen gibt. In der Vorstellung vieler Studierendenverbindungen ist diese gesellschaftlich produzierte Ungleichheit nicht überwindbar.
Handlungsmotive für (burschenschaftliche) Antifeminist*innen sind also zum Beispiel die Angst, dass diese vermeintliche Natürlichkeit und die daraus folgenden Geschlechterrollen erschüttert werden. Man wird aktiv, weil man den Wunsch hat, beides aufrechtzuerhalten. So erklärt die extrem rechte Münchner Burschenschaft Danubia auf Facebook, dass „die Zerstörung der Familie durch feministische Ideologie“ ein „Grundübel unserer Zeit“ sei.
Aktuelle Aktionsfelder
In den aktuellen geschlechterpolitischen Auseinandersetzungen um Familie, Gender oder reproduktive Rechte vertritt die Mehrheit der Korporierten konservative bis extrem rechte Positionen. So ist es nicht verwunderlich, dass Vertreter von Studierendenverbindungen sich an Aktionen radikaler Abtreibungsgegner*innen wie dem „Marsch fürs Leben“ in München oder auch an Protesten bzw. aggressiven Attacken gegen eine Drag-Lesung im Juni 2023 in München Bogenhausen beteiligen. Studierendenverbindungen werden so zu Akteuren, die versuchen, illiberale bzw. völkisch-identitäre Gesellschaftsformen durchzusetzen.
Die Narrative veränderten sich über die Zeit, die ihnen zugrunde liegende Ideologie der Ungleichheit blieb. Um Kritik abzuwehren, wird stets betont, dass es ja auch Verbindungen für Frauen gebe und man „nur mal unter sich“ sein wolle. Beides lenkt vom inhärenten und hier dargelegten Problem des Männerbundes ab, der in sich anti-demokratisch und problematisch ist. Im Diskurs wird zudem „zwischen der Aufnahme von rein weiblichen Korporationen und der Aufnahme gemischter Verbindungen (oder der Aufnahme von Frauen in einen bestehenden Männerbund) unterschieden. Ersteres erhielt deutlich mehr positiven Zuspruch als Zweiteres, schließlich stellen reine Frauenverbindungen eine geringere Bedrohung für den Männerbund als gemischte Verbindungen dar.“
Der sich öffentlich gemäßigt gebende Coburger Convent (CC), der Turnerschaften und Landsmannschaften vertritt, behauptet unter dem (mittlerweile gelöschten) Stichpunkt „Männerbund“ auf seiner Website, dass man „nichts gegen Emanzipation und Frauen an der Uni; auch nichts gegen Frauen auf unseren Häusern und Veranstaltungen“ habe. Im selben Eintrag hieß es jedoch:
„Wir im CC sind jedoch tatsächlich nur Männer. Und da an Universitäten heutzutage der Gender-Clash härter denn je geführt wird, sind unsere Rückzugsorte unbezahlbar. Hier gibt es kein verordnetes …Innen, keine Diskussionen über geschlechtsneutrale Toiletten und auch keine Ampelweibchen. Wir brauchen für unsere Sex-and-the-City-Abende weder Sex noch ‘ne City.”
In den gesellschaftlichen, religiösen oder politischen Debatten um geschlechtliche Vielfalt, Geschlechterrollen, reproduktive Selbstbestimmung sowie Ehe und Familie nehmen Studierendenverbindungen meist antiliberale Positionen ein und stabilisieren so die bestehenden Verhältnisse. Ihre Vorstellungen verbreiten sie nach außen bspw. durch die Teilnahme an anti-feministischen Veranstaltungen, sie werden aber auch nach innen in Form von Sanktionierungen davon abweichender Haltungen als Norm durchgesetzt.
Hinweis: Dieser Text wurde aus Kapiteln des Buches „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ entnommen und für die bessere Lesbarkeit leicht verändert.
Bilder
Bild 1: Bei einer Veranstaltung der „Christdemokraten für das Leben“ am Rande des antifeministischen „Marsch fürs Leben“ 2023 in München zeigen Burschenschafter und Neofaschisten das als „White-Power-Geste“ diskutierte Handzeichen. Foto: Robert Andreasch
Quellen
Hinweis: Die genauen Quellenangaben finden Sie im Verzeichnis des Buches „Gehorchen und herrschen“.
Urbano, Florian: Fuchsenmimik Semesterantrittskneipe WS13/14, in: Burschenschaft Stauffia, 25.10.2013, blog.mb-stauffia.de (zuletzt abgerufen: 16.6.2023 um 9:40 Uhr)
Goetz Judith: Burschenschaften: Ehrensache Antifeminismus. Der Kampf deutschnationaler Burschenschaften gegen geschlechterpolitischen Wandel, in: Der Standard, 25.1.2019, www.derstandard.de/story/2000096943730/burschenschaften-ehrensache-antifeminismus (zuletzt abgerufen: 17.6.2023 um 11:10 Uhr)
Vaupel, Martin: Ereignis: Berichterstattung zur „PP-Suite“ am 10.02.2023 in Erlangen zwischen Germania Erlangen und Munichia Bayreuth im CC, in: Coburger Convent, 15.3.2023, coburger-convent.de/stellungnahme/ (zuletzt abgerufen: 16.6.2023 um 9:55 Uhr)
Mielke, Anne: Frauen in Couleur. Akademische Frauenverbindungen und die Strategien weiblicher Gemeinschaftsbildungen in einer Männerdomäne, Dissertation, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen 2022
Coburger Convent: web.archive.org/web/20161114150346/
coburger-convent.de/willkommen/was-ist-eine-studentenverbindung/warum-seid-ihr-alles-nur-maennerbuende/, archiviert (zuletzt abgerufen: 18.7.2023 um 14:50 Uhr)