„Elite ohne Elitedünkel!”, hieß es lange prominent auf der Seite der Münchner Turnerschaft Cheruscia. Insbesondere bei Corps spielte Elitenbildung eine große Rolle, bis heute erheben viele Studierendenverbindungen den Anspruch, Teil der gesellschaftlichen Eliten zu sein.
Undemokratische Überhöhung
Allein der Anspruch, zu einer auserwählten Gruppe von Akademiker*innen mit besonderen Fähigkeiten und Qualitäten zu gehören, ist problematisch, hat dieser doch bereits einen undemokratischen Charakter. „Denn wo es Eliten gibt, gibt es auch Massen, die angeleitet und beherrscht werden müssen. Konservative Akademiker*innen, die autoritär sozialisiert wurden und denen vordemokratische Ansichten beigebracht wurden, beziehen über Netzwerke und Seilschaften tatsächlich teilweise wichtige Positionen in der Gesellschaft. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich im Milieu der Studierendenverbindungen sozialisierte Konservative radikalisieren und verstärkt der extremen Rechten zuwenden.
Erziehung für den Bund
In internen Fuchsenstunden, Rhetorik- und Knigge-Seminaren sowie durch Vorträge zum korrekten Auftreten von Korporierten sollen die jungen Männer und Frauen lernen, wie sie ihren Lebensbund angemessen nach außen repräsentieren. In streng reglementierten Kneipen, mit speziellen Kleidungs- und Sitzordnungen und bei schlagenden Verbindungen mit Mensuren werden Korporierte für ihre zukünftigen Aufgaben sowie die für sie vorgesehenen geschlechterstereotypen Rollen getrimmt. Gerade in männerbündischen Verbindungen spielt dabei, wie bereits erwähnt, Alkohol eine wesentliche Rolle. Verstöße gegen die Regeln ziehen bisweilen Trinkstrafen nach sich. Um die „Satisfaktion” und die Ehre eines Bundes oder Korporierten wiederherzustellen, kann ein Wetttrinken oder eine Mensur gefordert werden. Letzteres ist in Deutschland zwar verboten, die Vorfälle in Erlangen aus dem Jahr 2023 zeigen jedoch, dass sogenannte Ehrenhändel zur Beilegung von Konflikten dienen.
Da viele dieser Regeln und Rituale aus längst vergangenen Zeiten stammen, wirkt das Agieren Korporierter auf Außenstehende oft so, als spielten sie in einem Theaterstück, ihre Kleidung wie Kostüme. Allzu oft benehmen sich Korporierte ganz und gar nicht wie die Elite, die sie so gern sein möchten. So beschweren sich die Bürger*innen von Coburg regelmäßig über das Verhalten von Teilnehmern des „Pfingskongresses”, einer jährlich stattfindenden Verbandstagung aller Mitgliedsverbindungen des Coburger Convents. In der Presse ist von saufenden und kotzenden Korporierten, Übergriffen auf Journalist*innen und einem Hitlergruß zu lesen.
Die Realität entspricht also nicht immer der offiziellen Programmatik der Studierendenverbindungen und doch prägt die sekundäre Sozialisation diese jungen Leute, die oftmals in ihrem Lebensbund, der bisweilen eine familiäre Gemeinschaft und emotionale Geborgenheit bietet, ganz und gar aufgehen. Gerade das elitäre Gehabe, die bewusste Abgrenzung und Überhöhung durch Korporierte verfängt, denn wer fühlt sich nicht gern als die Elite? So konserviert sich „im korporierten Milieu bis heute ein reaktionärer und in Teilen vordemokratischer Geist”.
Hinweis: Dieser Text wurde aus Kapiteln des Buches „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ entnommen und für die bessere Lesbarkeit leicht verändert.
Bilder
Bild 1: Eigentlich lernen Korporierte in sogenannten Fuchsenstunden korrektes Auftreten. Bild: firm
Quellen
Hinweis: Die genauen Quellenangaben finden Sie im Verzeichnis des Buches "Gehorchen und herrschen".
Coburger Convent: Teilnehmer mit Hitlergruß im Hofbräu, in: inFranken.de, 21.5.2018, www.infranken.de/lk/coburg/coburger-convent-teilnehmer-mit-hitlergruss-im-hofbraeu-art-3405328 (zuletzt abgerufen: 14.4.2023 um 9:25 Uhr)
Teidelbaum, Lucius: Herren mit Werten von vorgestern, in: Der Rechte Rand, 195/2022, www.der-rechte-rand.de/archive/8641/herren-mit-werten-von-vorgestern/ (zuletzt abgerufen: 2.1.2023 um 10:44 Uhr)