Gehorchen und herrschen

Artikel von firm (2024)

Ein Überblick über die Geschichte, Form und Organisation von Studierendenverbindungen

Studierendenverbindungen geraten immer wieder negativ in die Schlagzeilen. Um die meist männnerbündisch organisierten Gruppen, von denen sich nicht wenige selbst zur gesellschaftlichen Elite erklären, ranken sich zahlreiche Mythen. Ihre Mitglieder bewegen sich in ihrer eigenen Welt, sie sprechen eine eigene Sprache, setzen bewusst auf Ab- beziehungsweise Ausgrenzung und kommunizieren nur das, was sie gern nach außen darstellen möchten. So hat sich in der Öffentlichkeit ein klischeehaftes Bild festgesetzt, das der Wahrheit nur teilweise entspricht: das Bild der extrem rechten, frauenfeindlichen Burschenschafter, die sich in mondänen Villen betrinken und bei Fechtkämpfen die Gesichter zersäbeln.

Das Buch „Gehorchen und herrschen“ 

Diese Beschreibung trifft auf einige Verbindungen durchaus zu. Das Buch „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ soll den Blick aber erweitern und weitere Facetten korporierten Lebens aufzeigen. Dabei liefert es in erster Linie einen Überblick über die Verbindungsszene in München, greift jedoch auch Aspekte auf, die für alle Verbindungen in Deutschland gelten beziehungsweise relevant sind. Es geht um Männlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und völkisches, extrem rechtes Denken in einigen Bünden. Das Buch beleuchtet die Brauchtumspflege von Korporierten und erläutert, wie bestimmte Glaubenssätze sie zu Gegnern von gesellschaftlichen Veränderungen und Fortschritt machen.

Dabei soll sowohl auf die Differenzen zwischen den identifizierten Verbindungstypen als auch auf Gemeinsamkeiten eingegangen werden. Es gibt aktuell bundesweit rund 980 Studierenden- und Schülerverbindungen, die sich in einigen wesentlichen Punkten voneinander unterscheiden. Einige wollen explizit die politischen Debatten mitgestalten, andere äußern sich grundsätzlich öffentlich nicht zu Politik. Es gibt gemischtgeschlechtliche Verbindungen, reine Männerbünde und wieder andere nehmen nur Frauen auf. Es gibt einige Verbindungen, die ausschließlich Deutsche aufnehmen, und andere, in denen alle Menschen, egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht willkommen sind.

Das Buch geht auch darauf ein, was die verschiedenen Gruppierungen miteinander verbindet und was das Verbindungswesen in seiner Gesamtheit für eine offene und demokratische Gesellschaft problematisch macht. Dazu gehört, dass sie auf Ab- und Ausgrenzung setzen. Damit schaffen Studierendenverbindungen, selbst wenn sie in der Öffentlichkeit beziehungsweise im studentischen Leben lange nicht mehr so präsent sind wie in der Vergangenheit, sich und ihresgleichen Räume, in denen tradierte Geschlechterrollen und -bilder sowie teilweise regressive Wertvorstellungen und extrem rechtes Gedankengut produziert und reproduziert werden.

Historischer Überblick

Einige Studierendenverbindungen können auf eine lange Geschichte zurückblicken, welche die meisten von ihnen bis heute prägt. Dabei hatten gesellschaftliche Entwicklungen und historische Ereignisse mal mehr, mal weniger starke Auswirkungen auf die akademischen Bünde. Auch andersherum gilt: Korporierte beeinflussten den Lauf der Geschichte und die Gesellschaft.

Frühe Formen

Vorläufer von Studierendenverbindungen können bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Die damaligen Zusammenschlüsse beschreibt die Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth als eine Art „genossenschaftliche Vereinigung“, […] „in denen sich Studenten zusammenschlossen, um ähnlich wie Fernhandelskaufleute über eine eigene Interessenvertretung zu verfügen. Nach dem Verschwinden der nationes sind im Wesentlichen drei Stränge studentischer Organisierung zu unterscheiden, aus denen das moderne Verbindungswesen im engeren Sinne hervorging: landsmannschaftliche Zusammenschlüsse, studentische Orden und Kränzchen.“ An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, also zu einer Zeit, in der sich die bürgerliche Gesellschaft entwickelte, formierten sich studentische Zusammenschlüsse, welche die Begriffe Bund, Verbindung und Korporation als Eigenbezeichnung verwendeten. Im Gegensatz zu früheren Verbindungen war der Beitritt nun freiwillig und man setzte auf das Lebensbundprinzip, wovon die Organisationen strukturell profitierten. Ein kleiner Teil der zunächst dominierenden Landsmannschaften und Corps ging „in der sich Anfang des 19. Jahrhunderts als bürgerlich-nationale Studentenbewegung konstituierenden Burschenschaftsbewegung auf“. Im Gegensatz zu den Landsmannschaften und Corps agierten die ersten burschenschaftlichen Akteure explizit politisch und setzten sich für die Errichtung eines deutschen Nationalstaats ein. Aus dieser Zeit stammt auch der republikanische und antiquierte Demokratiebegriff, auf den sich viele Korporierte bis heute berufen und der einem modernen Verständnis von Demokratie als Lebensform widerspricht. Der Nationalstaat spielte seit der Gründung der Urburschenschaft im Juni 1815 in Jena eine maßgebliche Rolle. Darüber hinaus wurden Kränzchen, Orden, Landsmannschaften und andere studentische Zusammenschlüsse in der Verfassungsurkunde der Urburschenschaft strikt abgelehnt. Übernommen wurden jedoch im Lauf der Zeit einige Traditionen der eigentlich abgelehnten Studierendenverbindungen wie bspw. das Fechten oder die interne Organisationsstruktur.

Kaiserzeit und Erster Weltkrieg

Die heute noch existierenden Studierendenverbindungen gründeten sich mehrheitlich erst nach der 1848er Revolution. Für das Kaiserreich (1871 bis 1918), die Blütezeit des Korporationswesens, waren Studierendenverbindungen eine tragende Säule. Zu dieser Zeit entstanden etliche katholische Verbindungen und Studentenvereine, Dachverbände schlossen sich zusammen und finanzierten den Bau oder den Kauf von Verbindungshäusern.

Kämpften Korporierte in der 1848er Revolution noch gegeneinander, waren sie sich in ihrer Begeisterung für die wilhelminische Politik ebenso einig wie in ihrer Begeisterung für den Eintritt Deutschlands in den Ersten Weltkrieg im Jahr 1914. Tausende Korporierte meldeten sich freiwillig zum Kriegsdienst. Nach dem verlorenen Krieg stellte sich die Mehrheit der Korporationen gegen die Weimarer Republik, sie organisierten sich in antidemokratischen Freikorps und beteiligten sich im April und Mai 1919 unter anderem an der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik. Unter diesen paramilitärischen Kräften waren auch Mitglieder der Burschenschaft Danubia, die bis heute an ihre aktive Rolle bei diesen Geschehnissen erinnert. Nachdem die Räterepublik der militärischen Übermacht unterlegen war, entwickelte sich Bayern zur sogenannten Ordnungszelle, die schlussendlich den Nationalsozialisten den Boden bereiten sollte.

(Selbst-)Auflösung im Nationalsozialismus

Es zählt zu den gut gepflegten Legenden, dass sich Verbindungen im Nationalsozialismus gegen das Regime gestellt hätten oder gar selbst zu seinen Opfern geworden seien. Die Erzählung, dass nur einige wenige die Shoah und andere Verbrechen der NS-Zeit mit Millionen von Toten zu verantworten hätten, ist bis heute unter vielen nichtjüdischen Deutschen weit verbreitet. Studierendenverbindungen sind, wenn sie dieses Narrativ bedienen, von daher keine Ausnahme. Alexandra Kurth verweist auf die Bedeutung, die diese damals an den Hochschulen hatten. „Ein wesentlicher Akteur auf universitärer Ebene war das traditionelle Korporationsstudententum.“ Im Jahr 1933 gehörte die Mehrzahl der Mitglieder des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB, auch NSD-Studentenbund), einer 1926 gegründeten Gliederung der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP), einer studentischen Korporation an. „Umgekehrt waren ab spätestens Mitte 1933 die meisten Korporationsstudenten zugleich Mitglied einer NS-Organisation; viele verbindungsstudentische Verbände hatten dies im ‚Wettlauf ins Lager der Sieger´, wie der Historiker Michael Grüttner in seiner Studie ‚Studenten im Dritten Reich´ schreibt, für ihre Mitglieder zur Pflicht gemacht.“ Wenn also bei der Burschenschaft Arminia-Rhenania München von „der Katastrophe des zweiten Weltkriegs“ und der Selbstauflösung von 1935 zu lesen ist, dann ist dies nur die halbe Wahrheit. Ihr damaliger Dachverband, die bis heute existierende Deutsche Burschenschaft, begrüßte enthusiastisch die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und ließ im März 1933 über ihr Zentralorgan, die „Burschenschaftlichen Blätter“, verkünden: „Was wir seit Jahren ersehnt und erstrebt […] haben, ist Tatsache geworden.“ Zahlreiche Dachverbände wie der Kösener Senioren-Convents-Verband, die Deutsche Landsmannschaft, Vorläufer des heutigen Coburger Convents der Landsmannschaften und Turnerschaften an deutschen Hochschulen, oder der Kartellverband der katholische Studentenvereine Deutschlands unterstützten die völkisch-nationalistische Diktatur.

Nachkriegszeit

Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 wurden Studierendenverbindungen von den Alliierten nach und nach verboten. Das Verbot wurde zwar erst 1950 wieder aufgehoben, zahlreiche Korporationen hatten ihr Verbindungsleben jedoch schon früher wieder belebt und so waren „bereits 1960 in der BRD […] wieder 30% der männlichen Studierenden in Verbindungen aktiv. Lediglich in der sowjetischen Zone und später in der DDR blieben studentische Verbindungen offiziell verboten.“

Im Zuge der Liberalisierung der Hochschullandschaft in den späten 1960er Jahren verpasste es die große Mehrzahl der Verbindungen erneut, die eigenen Positionen zu hinterfragen und sich zu reformieren. Den in der Folge sinkenden Mitgliederzahlen versuchten einige Verbindungen z.B. über die Aufnahme von weiblichen Mitgliedern entgegenzuwirken. Heute spielen Studierendenverbindungen an deutschen Universitäten keine maßgebliche Rolle mehr. Die Annahme, dass sie in naher Zukunft ganz von der Bildfläche verschwinden, muss, wie sich im Folgenden zeigt, jedoch verworfen werden.

Form und Organisation von Studierendenverbindungen

Studierendenverbindungen oder Korporationen sind Zusammenschlüsse von Studierenden, auch Aktivitas genannt, und ehemaligen Student*innen, sogenannten Alten Herren beziehungsweise Hohen Damen. Bekannt und in der öffentlichen Debatte sind meist Burschenschaften. Es gibt darüber hinaus noch Corps, Gildenschaften, religiöse Verbindungen, Sängerschaften, Jagdverbindungen, Vereine deutscher Studenten, Landsmann- und Turnerschaften, Damen- sowie Schülerverbindungen, um hier nur die wichtigsten zu nennen.

Gemeinsamkeiten

Egal ob Burschenschaft oder Corps, gemeinsam ist den Verbindungen eine hierarchische Ordnung und Organisation. „Studentenverbindungen sollten bei aller Differenzierung insgesamt vor allem als konservatives akademisches Milieu analysiert werden. Zum einen teilt man grundlegende Werte, Rituale, Prinzipien und ein eigenes Vokabular. Zum anderen ist man über Kontakte, Freundschaften und Zusammenschlüsse miteinander dauerhaft verbunden.“

Wer neu in eine Verbindung eintritt, wird zunächst für ein bis zwei Semester ein Fuchs (oder Fux), also ein Verbindungsmitglied auf Probe. In der Probezeit als Fuchs vermittelt der sogenannte Fuchsmajor im Rahmen von Fuchsenstunden die Traditionen, Regeln und Gebräuche der Verbindung. Der oder die Fuchs muss zahlreiche Pflichten erfüllen, bei den regelmäßig stattfindenden Mitgliederversammlungen, den sogenannten Conventen, sind sie in der Regel jedoch nicht stimmberechtigt.

Erst nach dem erfolgreichen Absolvieren einer oder mehrerer Mensuren (bei pflichtschlagenden Verbindungen) und Abschlussprüfungen wird der Fuchs zum vollgültigen Mitglied, zum Burschen. Mit der Aufnahme als Bursche geht in der Regel die Verpflichtung einer lebenslangen Mitgliedschaft einher. Ein vorzeitiger Austritt ist nicht vorgesehen. Diese lebenslange Mitgliedschaft, die als Lebensbundprinzip bezeichnet wird, gehört zu den wichtigsten Prinzipien jeder Studierendenverbindung. Nach dem Abschluss des Studiums werden Burschen dann zu Alten Herren, bei Damenverbindungen zu Hohen Damen. Diese organisieren sich in eigenen Altherrenverbänden, zahlen Mitgliedsbeiträge und übernehmen so einen wesentlichen Anteil der Finanzierung von Veranstaltungen oder der Verbindungshäuser. Viele von ihnen bleiben ihren Bünden so ein Leben lang treu und prägen die Ausrichtung ihrer Verbindungen oder Dachverbände. Studierendenverbindungen eint zudem das Festhalten an überkommenen Traditionen, Feierriten (Kneipen und Kommerse) und strengen Verhaltensregeln (Comment).

Unterschiede

„Die meisten Studentenverbindungen sind Männerbünde. Wenige Korporationen haben in den 1970er Jahren begonnen, auch Frauen aufzunehmen – manchmal einfach aus Mitgliedermangel und Finanznöten.“ Heute sind schätzungsweise 80 bis 90 Prozent aller Studierendenverbindungen als Männerbünde organisiert. „Gemischte Bünde und sogenannte Damenverbindungen werden nach außen zwar gerne gegen feministische Kritik angeführt, aber intern häufig abgewertet.“

Burschenschaften unterscheiden sich von anderen Studierendenverbindungen dadurch, dass sie sich explizit als politische Akteure verstehen und Einfluss auf die Gesellschaft nehmen wollen. Thematisch beziehen sie sich dabei auf ihren Wahlspruch: „Ehre, Freiheit, Vaterland.“ Insbesondere im burschenschaftlichen Spektrum werden immer wieder inhaltliche und personelle Überschneidungen mit der extremen Rechten sichtbar. Vertreter*innen der meisten anderen Verbindungstypen geben an, unpolitisch zu sein und dass politisches Engagement ihrer Mitglieder Privatsache sei. Corps verweisen z.B. auf das Toleranzprinzip, wonach Mitglieder unabhängig von Konfession, Ethnie, sexueller Orientierung oder akademischer Prägung Mitglied werden können. Landsmannschaften nahmen in der Vergangenheit nur sozial privilegierte Mitglieder, z.B. aus der Aristokratie, auf. „In dieser Tradition vertreten sie bis heute einen mit elitären Weihen versehen Traditionskonservatismus.“

Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen farbentragenden und schwarzen Studierendenverbindungen. Erstere tragen Mütze und Band (Couleur) in ihren jeweiligen Verbindungsfarben. Schwarze Verbindungen tragen keine Couleur, häufig existiert aber ein Zirkel zur Erkennung. Einige Studierendenverbindungen werden auch als farbführende Verbindungen bezeichnet, diese haben zwar Vereinsfarben, tragen diese jedoch nur zu besonderen Anlässen. Auch Mensuren, also Zweikämpfe mit scharfen Waffen, werden nicht von allen Studierendenverbindungen gefochten. Korporationen, die Mensuren fechten, werden schlagende Verbindungen genannt. „Und schließlich: Viele Studierendenverbindungen nehmen nur Deutsche auf. Oft zählt dabei nicht die Staatszugehörigkeit, sondern die Abstammung. Für manche Verbindungen gelten Österreicher durchaus als Deutsche, Deutsche mit dunkler Hautfarbe jedoch nicht.“

Es zeigt sich, dass bei der Betrachtung von Studierendenverbindungen ein differenzierter Blick wichtig ist, um den unterschiedlichen Ausformungen Rechnung zu tragen. Gleichzeitig gilt es, die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, um eine grundlegende Kritik an den Korporationen zu begründen.

Die Ausführungen dieser Broschüre zeigen, dass hinterfragt werden muss, ob Studierendenverbindungen in einer progressiven, pluralistischen Gesellschaft, die liberale, demokratische Werte lebt, noch einen Platz haben. Diese Frage stellt sich zunächst einmal unabhängig davon, ob es sich um eine Damenverbindung, ein Corps oder eine Burschenschaft handelt. Die Verbindungen erscheinen wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten, die versuchen, sich gesellschaftlichen Entwicklungen und Fortschritte entgegenzustemmen.

Viele dieser Verbindungen vermitteln jungen Menschen in abgeschlossenen und exklusiven Räumen Elitismus, Frauenverachtung, Antisemitismus oder Rassismus. Dabei handelt es sich um Einstellungen, die den Werten pluralistischer, liberaler Gesellschaften fundamental widersprechen. Wer sich in diesen Kreisen bewegt und kontinuierlich Diskriminierung, Gewalt und Druck erfährt, wird diese über kurz oder lang verinnerlichen. Die Folgen sind sowohl nach innen als auch nach außen spürbar. Mitglieder von Studierendenverbindungen können unter einem enormen Anpassungsdruck leiden, ihre mentale und physische Gesundheit kann Schaden nehmen, sei es durch überbordenden Alkoholkonsum oder - in schlagenden Verbindungen - die Verletzungen bei Fechtkämpfen. Wer lange Zeit gehorchen muss, will irgendwann herrschen. Wer Gewalt erfährt, normalisiert diese und ist eher bereit dazu, sie auch gegen Dritte anzuwenden.

Viele Studierendenverbindungen können auf eine lange Geschichte zurückblicken. Sie sind teilweise fest in gesellschaftlichen Strukturen verankert. Es ist in naher Zukunft also nicht davon auszugehen, dass sie gänzlich verschwinden werden, insbesondere vor dem Hintergrund einer erstarkenden extremen Rechten. Die Gefahr, dass extrem rechte Korporierte wichtige Funktionen in Gesellschaft und Politik besetzen, ist real. Seit der Landtagswahl 2023 sind mit Benjamin Nolte, Markus Walbrunn, Ferdinand Mang, Andreas Winhart, Christoph Maier, Oskar Atzinger und Daniel Halemba mindestens sieben korporierte AfD-Funktionäre im Bayerischen Landtag vertreten. Wofür diese Männer stehen, hat mit einer freiheitlichen Demokratie wenig zu tun, nicht zuletzt, weil ihr Demokratieverständnis ein antiquiertes ist und den Grundprinzipien einer freiheitlichen Demokratie entgegensteht. Dass diese Herren sich bspw. für die Belange von Minderheiten, Frauenrechte und LGBTIQ-Rechte einsetzen werden, ist nicht zu erwarten.

Handlungsempfehlungen

Allen Studierenden, die mit dem Gedanken spielen, Mitglied in einer Studierendenverbindung zu werden, muss klar sein, dass sie sich, wenn sie diesen Schritt gehen, unter Umständen in eine Umgebung voller Gewalt und Anpassungsdruck begeben, die wenig Raum für freie Persönlichkeitsentfaltung lässt. Es braucht also mehr Aufklärungsarbeit über die antiemanzipatorischen und undemokratischen Strukturen von Studierendenverbindungen, um ihrer Normalisierung entgegenzuwirken.

Im Umgang mit Studierendenverbindungen ist ein differenzierter Blick auf die Charakteristika verschiedener Verbindungstypen unbedingt notwendig, da sonst jegliche Kritik zu verpuffen droht. Zugleich sollte man sich nicht auf gängige Ablenkungsmanöver vonseiten der Kooperierten einlassen, die in Fällen, in denen konkrete Vorwürfe wie z.B. die Nähe zu extrem rechten Positionen nicht einfach zurückzuweisen sind, gern einzelne Verbindungen oder einzelne Dachverbände zum Sündenbock erklären.

Die angespannte Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt bietet Studierendenverbindungen aktuell optimale Bedingungen für die Rekrutierung neuer Mitglieder. Nicht nur um zu verhindern, dass Studierende aus der Not heraus in Verbindungshäuser ziehen, aber auch deswegen ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum dringend nötig. Nicht zuletzt bedarf es neben Aufklärungsarbeit zu Studierendenverbindungen weiterhin der intensiven Förderung antisexistischer, antirassistischer, emanzipatorischer Einstellungen unter Schüler*innen und Jugendlichen. Sie in jungen Jahren mit politischen Bildungsangeboten zu erreichen und für die Gefahren autoritären Denkens und entsprechender Verhaltensweisen zu sensibilisieren, bleibt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe – auch, um dem in Studierendenverbindungen gepflegten Elitismus, Konservatismus, Antisemitismus, Rassismus und Sexismus etwas entgegensetzen zu können.

Hinweis: Dieser Text wurde aus Kapiteln des Buches „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ entnommen und für die bessere Lesbarkeit leicht verändert.

Bilder:

Bild 1: Im Juli 2024 veröffentlicht die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München ihr Buch „Gehorchen und herrschen“. Foto: Lina Dahm

Bild 2: Die Publikation „Gehorchen und herrschen“ soll verschiedene Facetten korporierten Lebens darstellen. Foto: Lina Dahm

Bild 3: Die Festkleidung von Studierendenverbindungen orientiert sich an der Mode des 19. Jahrhunderts. Foto: firm

Bild 4: Bei der Betrachtung, Analyse und Bewertung von Studierendenverbindungen ist ein differenzierter Blick wichtig. Foto: firm

Bild 5: Sogenannte Alte Herren organisieren sich in eigenen Verbänden und finanzieren ihre Studierendenverbindung. Foto: firm

Bild 6: Antifaschistische Proteste gegen Studierendenverbindung fanden zuletzt im Sommer 2019 in München statt. Bild: firm.

Quellen:

Hinweis: Die genauen Quellenangaben finden Sie im Buch „Gehorchen und herrschen“

Kurth, Alexandra: Männer – Bünde – Rituale. Studentenverbindungen seit 1800, Frankfurt a.M./New York 2004

Kurth, Alexandra: „Soldaten Adolf Hitlers“. Die korporationsstudentischen Verbände und der 30. Januar 1933, in: Lotta-Sonderausgabe 5/2019, S. 23

Antifa TU Berlin: Stützen der Gesellschaft. Elite und Untertanen. Geschichte, Ideologie und Praxis studentischer Korporationen, Berlin 2009, www.asta-hannover.de/wp-content/uploads/2012/08/Berlin-Elite-und-Untertanen.pdf (zuletzt abgerufen: 15.10.2023 um 12.45 Uhr)

Altherrenverband der Burschenschaft Danubia: Festschrift, S. 154.

Burschenschaft Arminia-Rhenania: www.arminia-rhenania.de/cms/arminia-rhenania/geschichte (zuletzt abgerufen: 26.6.2023 um 14:54 Uhr)

Burschenschaftliche Blätter, 6/1933, S. 130.

Teidelbaum, Lucius: Herren mit Werten von vorgestern, in: Der Rechte Rand, 195/2022, www.der-rechte-rand.de/archive/8641/herren-mit-werten-von-vorgestern/ (zuletzt abgerufen: 2.1.2023 um 10:44 Uhr)

Kiefer, Sandra: Follow the Money. Die Finanziers der „Marburger Burschenschaft Germania“, in: Lotta 89/2022/23, www.lotta-magazin.de/ausgabe/89/follow-the-money/ (zuletzt abgerufen: 14.10.2023 um 12:37 Uhr)

apabiz e. V.: Überblick Burschenschaften & Studentenverbindungen. Eine Handreichung zur Struktur, Inhalten, Geschichte und Hintergründe, 3. aktualisierte Auflage, Berlin 2017, www.apabiz.de/wp-content/uploads/2012_aktual_burschi_Handreichung.pdf

Layout Root Paths: {$plugin.tx_bands_bandlist.view.layoutRootPath} EXT:bands/Resources/Private/Layouts/