Akademische Damenverbindungen in München

Artikel von firm (2024)

Insgesamt gibt es rund 65 Studierendenverbindungen in München (Stand: März 2024) und damit so viele wie in keiner anderen deutschen Studentenstadt. Da München im Vergleich zu anderen korporierten Hochburgen wie Göttingen oder Tübingen mehr Einwohner*innen zählt, ist ein Vergleich, der sich rein auf die Anzahl beruft, jedoch nicht besonders aussagekräftig. In München sind verschiedene Verbindungstypen ansässig, darunter Burschenschaften, katholische Verbindungen, Turnerschaften, Landsmannschaften, Corps, zwei Damenverbindungen und einige weitere Verbindungstypen. Wie bei Männerbünden ist die Gründung von Damenverbindungen eng an die Zulassung an Universitäten geknüpft. Die erste Studentinnenverbindung gründete sich vermutlich 1899 mit der Hilaritas in Bonn, „bis 1933 waren im deutschsprachigen Raum an die 100 Studentinnenverbindungen anzutreffen.” Von den rund 90 Verbindungen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten, sind aktuell noch etwas über 50 aktiv.

Kein feministischer Gegenentwurf

Die heute noch existierenden Studentinnenverbindungen entstanden mehrheitlich in den 2000er Jahren, als es an vielen Hochschulorten eine Gründungswelle gab. Heute „machen Frauenverbindungen mit rund fünf Prozent nur einen verschwindend geringen Anteil am korporationsstudentischen Milieu aus“. Das ist aber vermutlich nur ein Grund, warum im Vergleich zu Burschenschaften und anderen Männerbünden nur wenige Recherchen und Analysen bzw. wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit Damenverbindungen und Mädelschaften vorliegen. Statt Damenverbindungen und Mädelschaften und ihr teilweise reaktionäres Gedankengut zu kritisieren, werden sie gern lächerlich gemacht, ihre Mitglieder sexistisch als „Tittenbuxen“ abgewertet oder in der Betrachtung des korporierten Milieus schlicht ignoriert.

Frauen als Ideologieträgerinnen

Analog zum Umgang mit Frauen in der extrem rechten Szene war die Analyse der Rolle korporierter Frauen lange lückenhaft, und das, obwohl die Organisierung rechter Frauen eine lange Geschichte hat. Seit einigen Jahren betrachten Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen Frauen als eigenständige Ideologieträgerinnen und nehmen ihre Aktivitäten aus einer geschlechterreflektierten Perspektive in den Blick. Ihre Analysen zeigen, dass Frauen der patriarchalen Gesellschaftsordnung nicht nur unterworfen und Opfer sind. Vielmehr ist zu beobachten, dass einige selbst an der Verteidigung und Aufrechterhaltung dieser Ordnung mitarbeiten und durch eigene menschenfeindliche Weltanschauungen zu Täterinnen werden.

Damenverbindungen im Spannungsfeld

Die ersten Frauenverbindungen „standen vor allem anfangs vor dem Problem, kaum auf Traditionen oder Vorbilder zurückgreifen zu können, was wiederum dazu führte, dass sie sich großteils an ihren männlichen Vorbildern orientierten“ und ihre Bräuche, Rituale und Regeln übernahmen. Die Folge ist, dass sich korporierte Frauen in einem Spannungsfeld bewegen, da sie sich um Abgrenzung gegenüber Männerbünden bemühen, gleichzeitig aber viele von deren Merkmalen aufweisen und sie sich im selben Milieu bewegen. Eine umfangreiche Untersuchung der Soziologin Anne Mielke zeigt, dass Homosozialität wie bei Männerbünden auch in Frauenverbindungen eine wichtige Rolle innehat. Die von Mielke interviewten Frauen können sich bspw. nicht vorstellen, in gemischte Verbindungen einzutreten. Während man sich einerseits also von Männerbünden abgrenzt, orientiert man sich gleichzeitig an ihnen. Statt Bier wird Sekt getrunken, an die Stelle der Mensur tritt bei einigen Damenverbindungen das „karitative Prinzip“ als identitätsstiftendes Element. So organisierte die Münchner Damenverbindung Bavaria Aurea nach der Flutkatastrophe im Ahrtal eine „Weinauktion“, deren Erlöse an die Betroffenen gehen sollte. 2021 stellten die Münchnerinnen im Rahmen einer „Humanitären Woche“ Initiativen wie den Kältebus für Personen ohne festen Wohnsitz vor.

Kritik an Damenverbindungen

Neben karitativen Initiativen widmen sich Damenverbindungen sogenannten „Frauenthemen“ wie bspw. im Jahr 2021, als ein Mitglied der Münchner Verbindung Selenia einen Vortrag zu „Gendern, Quotenfrauen und Uni-Sex-Toiletten – ist Feminismus heute noch aktuell?” hielt. Die Antwort auf diese Frage dürfte meistens negativ ausfallen, da sich korporierte Frauen in der Regel nicht als Feministinnen verstehen oder feministische Ideale vertreten. Zwar stellt der Frauenbund eine Art Schutzraum gegenüber korporierten Männern dar und drängen Damenverbindungen auf Anerkennung im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter. In diesem homosozialen Raum wird Geschlecht jedoch in der Regel binär gedacht und werden naturalisierende Geschlechterdifferenzen und die damit einhergehenden traditionellen Geschlechterrollen reproduziert.

In der sekundären Sozialisierung im Bund fungiert die Verbindung stets als Korrektiv. Benimmt man sich aus Sicht der Angehörigen dieses Milieus daneben, wird man sanktioniert, auch weil das eigene vermeintliche Fehlverhalten ggf. auf die eigene Verbindung zurückfallen könnte. Zu viel zu trinken, viele Sexualpartner*innen zu haben oder allgemein die Regeln des Milieus nicht zu kennen, kann persönliche Konsequenzen haben. Dahinter stehen klare Vorstellungen, wie sich Männer und Frauen zu verhalten haben. Im Verbindungsmilieu erfährt das eine Zuspitzung, weil dieses zum einen wie ein Dorf ist, in dem sich alle kennen, zum anderen, weil Verbindungen Lebensbünde sind, in denen Privates öffentlich verhandelt und bewertet wird. Diese stete, zum Teil unbewusst ablaufende (Selbst-)Disziplinierung, hierarchische Strukturen, die auf Unterwerfung und Sanktionen setzen, sowie das von Damenverbindungen vertretene traditionelle Frauenbild sind Merkmale vieler Damenverbindungen, die es aus einer demokratietheoretischen und Gendergerechtigkeitsperspektive zu kritisieren gilt.

Aktuell sind Damenverbindungen noch nicht so gut aufgestellt, dass sie auf eine vergleichbare Infrastruktur zurückgreifen können wie ihre männlichen oder gemischtgeschlechtlichen Pendants. Da eine finanzstarke Altherren- bzw. Hohe Damenschaft fehlt, haben die beiden Münchner Damenverbindungen bspw. kein eigenes Haus, was auch bedeutet, dass man nicht zusammenwohnt. Aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit haben Damenverbindungen aktuell zudem auch keinen Dachverband und keine eigene Verbandszeitschrift. In der Regel treffen sich die Verbindungen einmal im Jahr.

Damenverbindungen in München 

Akademische Damenverbindung Bavaria Aurea

Stadtbezirk: kein eigenes Haus

Couleur: dunkelblau-weiß-hellblaues Band (Füchse: dunkelblau-weiß), blaue Mütze mit schwarzem Schirm, weiß-hellblauem Band und weißer Umrandung oben

Die Akademische Damenverbindung Bavaria Aurea gründete sich im Februar 2013, um „Pluralität in das Münchner Verbindungswesen zu bringen“. Meinungsfreiheit sei ihr wichtig, ebenso, dass „eigene Traditionen“ geschaffen werden. Laut Angaben auf ihrer Webseite ist eines ihrer drei Grundprinzipien „Menschlichkeit, welche die prinzipielle Gleichheit aller Menschen aller Herkunft und jeden Geschlechts umfasst“. Gleichzeitig schreiben sie 2017 auf ihrer Facebook-Seite, dass sie sich Positionen von Björn Höcke (AfD), der einem Gerichtsurteil zufolge öffentlich „Faschist“ genannt werden darf, zur Horizonterweiterung anhören würden.

Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ äußerte sich Katja, die zu den Gründerinnen der Verbindung gehört und deren Vater korporiert war oder ist, als sie auf das Lied der Deutschen im Liederbuch der Verbindung angesprochen wurde, eher ausweichend bzw. entschuldigend. Sie betonte, dass „ihre Verbindung soziale Projekte unterstützt, indem sie einen Jugendraum renoviert oder Geld für eine Palliativstation gesammelt hat”. Bei Pegida-Demonstrationen seien sie nicht mitgelaufen und mit der AfD habe man nichts zu tun.

Die Bavaria Aurea verfügt als recht junge Verbindung über kein eigenes Haus. Für ihre Treffen öffnen jedoch verschiedene Münchner Studierendenverbindungen ihre Türen. Grundsätzlich ist die Bavaria Aurea bestens vernetzt in der Münchner Korporiertenszene, u.a. bestehen Verbindungen zu Burschenschaften wie der Stauffia und der Alemannia, die in der völkisch ausgerichteten Deutschen Burschenschaft organisiert sind, aber auch zur Arminia-Rhenania, die Mitglied in der rechten Allgemeinen Deutschen Burschenschaft ist.

Akademische Damenverbindung Selenia

Stadtbezirk: kein eigenes Haus

Couleur: dunkelrot-weiß-schwarzes Band (Füchse: schwarz-weiß), schwarze Mütze mit schwarzem Schirm, dunkelrot-weiß-schwarzem Band und weißer Umrandung oben

Die Akademische Damenverbindung Selenia ist eine farbentragende Studentinnenverbindung, die ausschließlich Frauen aufnimmt. Gegründet am 1. Februar 2004, ist sie die erste Münchner Damenverbindung. Nach eigenen Angaben legt sie „nicht nur Wert auf die kulturelle, gesellschaftliche und universelle Bildung unserer Mitglieder sondern auch auf die Freundschaften untereinander“. Da die Selenia dem Lebensbundprinzip folgt, „sollen diese Freundschaften ein Leben lang bestehen bleiben“. Benannt ist die Verbindung nach der griechischen Mondgöttin Selene. In Ermangelung eines eigenen Verbindungshauses eröffnete die Selenia im Mai 2021 die „Villa Seleniae“, ein digitales Haus, um Stammtische abzuhalten. Ein richtiges Haus zu erwerben, ist jedoch ein Ziel der Verbindung.

Hinweis: Dieser Text wurde aus Kapiteln des Buches „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ entnommen und für die bessere Lesbarkeit leicht verändert.

Bilder

Bild 1: Damenverbindungen bilden einen verschwindend geringen Anteil am korporationsstudentischen Milieu. Foto: firm

Quellen

Hinweis: Die genauen Quellenangaben entnehmen Sie dem Literaturverzeichnis des Buches "Gehorchen und herrschen".

Stein, Leela: „…der couleurstudentischen Tradition verpflichtet, … nach den Bedürfnissen einer Damenverbundung gestaltet. Teutsche Mädels in Österreich, in: HochschülerInnenschaft an der Universität Wien (Hg.): Völkische Verbindungen. Beiträge zum deutschnationalen Korporationsunwesen in Österreich., 2. Auflage, Wien 2014, S. 135–158, oeh.univie.ac.at/fileadmin/uv/dokumente/voelk_verbindungen.pdf (zuletzt abgerufen: 15.10.2023 um 16.30 Uhr)

Mielke, Anne: Frauen in Couleur. Akademische Frauenverbindungen und die Strategien weiblicher Gemeinschaftsbildungen in einer Männerdomäne, Dissertation, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen 2022

Autor*innenkollektiv FE.IN: Frauen*rechte und Frauen*hass. Antifeminismus und die Ethnisierung von Gewalt, Berlin 2019

Heberling, Carolina: Studentenverbindungen gibt es auch für Frauen, in: Süddeutsche Zeitung, 1.8.2016, www.sueddeutsche.de/muenchen/tradition-studentenverbindungen-gibt-es-auch-fuer-frauen-1.3100469 (zuletzt abgerufen: 11.1.2023 um 9:47 Uhr)