Akademische Turner- und Landsmannschaften in München

Artikel von firm (2024)

Insgesamt gibt es rund 65 Studierendenverbindungen in München (Stand: März 2024) und damit so viele wie in keiner anderen deutschen Studentenstadt. Da München im Vergleich zu anderen korporierten Hochburgen wie Göttingen oder Tübingen mehr Einwohner*innen zählt, ist ein Vergleich, der sich rein auf die Anzahl beruft, jedoch nicht besonders aussagekräftig. In München sind verschiedene Verbindungstypen ansässig, darunter Burschenschaften, katholische Verbindungen, Turnerschaften, Landsmannschaften, Corps, zwei Damenverbindungen und einige weitere Verbindungstypen.

Turnerschaften

Akademische Turnerschaften sind farbentragende, pflicht- oder fakultativ schlagende Korporationen. Sie entwickelten sich aus den Akademischen Turnvereinen heraus, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Diese wiederum kamen aus der Turnerbewegung, die der mittlerweile umstrittene „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn ins Leben gerufen hatte.

Landsmannschaften

Landsmannschaften sind die älteste Form studentischer Verbindungen. „Ursprünglich waren sie Zusammenschlüsse von Studenten, die aus derselben Region stammten (also von Landsmännern). Dieses Regionalprinzip wurde in der modernen Variante der ab Mitte des 19. Jahrhunderts neu gegründeten Landsmannschaften nicht mehr angewendet. Diese Reformlandsmannschaften entstanden in Abgrenzung zu den Corps mit der Forderung, eine Gleichberechtigung aller Studenten und Studierendenverbindungen zu erreichen.“ Die zwei Münchner Landsmannschaften sind pflichtschlagende, farbentragende Männerbünde und im Coburger Convent organisiert.

Dachverbände und Zusammenschlüsse von Turnerschaften in Deutschland

Coburger Convent

Die große Mehrzahl der Turnerschaften und Landsmannschaften ist heute im Dachverband Coburger Convent (CC) organisiert. Der CC, der seine Geschäftsstelle in der Münchner Triftstraße hat, ist pflichtschlagend und farbentragend. Aktuell gehören dem Dachverband, der sich 1951 neu gründete, 94 Studierendenverbindungen an.

Wie viele andere Studierendenverbindungen und Dachverbände tat sich der CC nach 1945 schwer, sich mit seiner NS-Vergangenheit und der einzelner Mitglieder auseinanderzusetzen. Immer wieder wurde der eigenen Angaben zufolge „parteipolitisch und konfessionell ungebundene“ Verband mit nationalistischem bis rechtem Gedankengut in Verbindung gebracht, obwohl er im Jahr 2000 die „Coburger Resolution gegen Rechts“ unterzeichnet hat. 2023 kam es rund um den Pfingstkongress in Coburg erneut zu negativen Schlagzeilen. Vor und nach den Feierlichkeiten mit Festkommers, traditionellem Fackelmarsch und Totengedenken in der bayerischen Stadt gab es eine Reihe von Veröffentlichungen, die nahelegten, der Verband schütze einen möglichen Straftäter in den eigenen Reihen, befürworte eine Einschränkung der Pressefreiheit und plane eine Kampagne gegen missliebige Politiker*innen. Zuvor war der Dachverband in die Kritik geraten, weil Korporierte bei einer mutmaßlichen Pro-Patria-Suite schwer verletzt worden waren. Als Folge der medialen Aufmerksamkeit trat der langjährige Vorsitzende des CC zurück.

Marburger Konvent

Als es in der Folge der 68er-Bewegung zu Wertedebatten kam und von einigen Verbindungen Reformen angestrebt wurden, kam es zur Spaltung des CC. Dieser wollte bspw. bei der Aufhebung der Pflichtmensur nicht mitgehen. 1970 gründeten 13 Bünde dann den Marburger Konvent (MK), der fakultativ schlagend ist und dem heute noch sechs Verbindungen angehören.

Turnerschaften in München

Straßburger Turnerschaft Cheruscia

Stadtbezirk: Schwabing-West

Couleur: rot-silber-blaues Band (Füchse: rot-silber), rosa Mütze mit schwarzem Schirm und silber-rotem Band

Die 1881 gegründete Turnerschaft Cheruscia ist ein pflichtschlagender Männerbund und Mitglied im Coburger Convent (CC). Mitglieder der Cheruscia müssen während ihres Studiums mindestens drei Mensuren fechten, wobei eine davon durch den Erwerb des Sportabzeichens oder des DLRG-Leistungsscheins ersetzt werden kann. Ihr Haus befindet sich in einer ruhigen Seitenstraße im Münchner Stadtteil Schwabing und verfügt über acht Zimmer.

Turnerschaft Ghibellinia

Stadtbezirk: Bogenhausen

Couleur: hellblau-weiß-schwarzes Band (Füchse: hellblau-weiß), blaue Mütze mit schwarzem Schirm, weiß-schwarzem Band und weißer Umrandung oben

Die Turnerschaft Ghibellinia ist ein 1884 gegründeter pflichtschlagender Männerbund. Die Turnerschaft ist Mitglied im Coburger Convent (CC), ihre großzügige Villa befindet sich im Münchner Stadtteil Bogenhausen. Auf ihrer Webseite betont die Verbindung, dass man besonderen Wert auf körperliche Fitness der Mitglieder lege.

Landsmannschaften in München

Landsmannschaft Hansea auf dem Wels

Stadtbezirk: Schwabing-Freimann

Couleur: grün-silber-schwarzes Band (Füchse: grün-schwarz), grüne Mütze mit schwarzem Schirm, grün-silber-schwarzem Band und silberner Umrandung oben

Die 1853 gegründete Landsmannschaft Hansea auf dem Wels ist ein pflichtschlagender, farbentragender Männerbund, der im Coburger Convent (CC) organisiert ist. Ihr Haus im Münchner Stadtteil Schwabing verfügt über sechs Zimmer und einen Balkon mit Blick auf die viel befahrene Leopoldstraße. Im Sommer 2021 baute die Verbindung an, direkt neben bzw. hinter dem bestehenden Verbindungshaus entstand ein Studentenwohnheim mit Gewerbeflächen.

Landsmannschaft Teutonia

Stadtbezirk: Maxvorstadt

Couleur: hellgrün-weiß-rosa Band (Füchse: rosa-weiß-rosa), hellgrüne Mütze mit schwarzem Schirm, weiß-rosa Band und weißer Umrandung oben

Die 1831 gegründete Landsmannschaft Teutonia ist ein pflichtschlagender Männerbund. Ihr Haus im Münchner Stadtteil Maxvorstadt verfügt über sechs Zimmer. Diese werden ausschließlich an Männer vermietet, was „ausschließlich eine Tradition und keine Diskriminierung“ sei, wie die Verbindung auf dem Portal „WG gesucht“ betont. Die Teutonia ist Mitglied im Coburger Convent (CC).

Hinweis: Dieser Text wurde aus Kapiteln des Buches „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ entnommen und für die bessere Lesbarkeit leicht verändert.

Bilder

Bild 1: Beim Pfingstkongress des Coburger Convents ist man gern unter sich. Foto: firm

Bild 2: Das Haus der Turnerschaft Cheruscia in Schwabing. Foto: firm

Bild 3: Das Haus der Turnerschaft Ghibellinia in München Bogenhausen. Foto: firm

Bild 4: Das Haus der Landsmannschaft Hansea auf dem Wels im Münchner Stadtteil Schwabing-Freimann. Foto: firm

Bild 5: Das Haus der Landsmannschaft Teutonia in der Münchner Maxvorstadt. Foto: firm

Quellen

Hinweis: Die genauen Quellenangaben entnehmen Sie bitte dem Buch "Gehorchen und herrschen".

Angermann, Eric/Glöckler, Lena: Die maßgeblichen Verbindungstypen und ihre Verbreitung in Göttingen, in: Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät (Hg.): Studentenverbindungen gestern und heute. Kritische Perspektiven auf Korporationen in Göttingen und Deutschland, Göttingen 2017, S. 24-36

Marburger Konvent: marburger-konvent.de/mitgliedsbuende (zuletzt abgerufen: 5.12.2022 um 11:27 Uhr)

Turnerschaft Cheruscia: www.cheruscia.de/Neu/index.html (zuletzt abgerufen: 5.12.2022 um 11:32 Uhr)