Völkische und rassistische Ideologien in akademischen Studierendenverbindungen

Artikel von firm (2024)

„In meiner Zeit unter Verbindungsstudenten gab es so einige rassistische Vorfälle. Über mein Afro-Haar wurde gespottet und zur Black Lives Matter Demo könnte man ja mit Blackface erscheinen. In meinem Bund waren das zum Glück Einzelfälle. […] Im Rassismus-Vergleich haben Burschenschaften gegenüber den anderen Bünden aber gewonnen. Bei meinen Besichtigungen wird mir direkt mitgeteilt, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe nicht beitreten kann. Das sei nichts Persönliches. Wir würden jetzt zum Beispiel auch keine Asiaten aufnehmen.”

Der Fotojournalist Leon Enrique Montero wollte das Leben in einer Studierendenverbindung kennenlernen und wurde für einige Monate Mitglied in einer katholischen Verbindung in Hannover. Welche Erfahrungen er dort machte, erzählt Montero unter anderem im Rahmen von Vorträgen.

Nicht alle Studierendenverbindungen vertreten (offen) einen völkischen Nationalismus. Corps zum Beispiel verweisen nach außen auf ihr „Toleranzprinzip“ und nehmen in der Regel Männer aller Nationalitäten auf. In vielen Studierendenverbindungen lässt sich jedoch mindestens ein Hang zu Chauvinismus, also übersteigertem Nationalismus, feststellen. Das liegt daran, dass Korporationen ihre Mitglieder nicht – wie oft behauptet – aus einem Querschnitt der Bevölkerung rekrutieren, „sondern vor allem Männer des konservativen bis extrem rechten Politikspektrums in ihren Reihen sammeln“.

„Biologische und kulturelle Einheit“

Die Extremposition, der völkische Nationalismus, zeigt sich besonders deutlich beim Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) und seinen Mitgliedsbünden. In der DB wird das deutsche „Volk” als Abstammungsgemeinschaft begriffen, also nicht über staatliche Grenzen definiert. So heißt es in der der Verfassung der Deutschen Burschenschaft in Artikel 9:

„Die Burschenschaft bekennt sich zum deutschen Vaterland als der geistig-kulturellen Heimat des deutschen Volkes. Unter dem Volk versteht sie die Gemeinschaft, die durch gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche Kultur, verwandtes Brauchtum und gleiche Sprache verbunden ist. Pflicht der Burschenschaften ist das dauernde rechtsstaatliche Wirken für die freie Entfaltung deutschen Volkstums in enger Verbundenheit aller Teile des deutschen Volkes, unabhängig von staatlichen Grenzen in einem einigen Europa in der Gemeinschaft freier Völker.”

Die Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), ein extrem rechter Zusammenschluss innerhalb der DB, wird noch expliziter. „Sie „fasst das deutsche Volk in einer Grundsatzschrift von 2012 nicht nur als ‚biologische und kulturelle Einheit’, sondern beharrt darüber hinaus auch auf ‚Unterschiede[n] in Fähigkeiten und Verhaltensweisen […] zwischen Männern und Frauen’ wie auch ‚zwischen Angehörigen verschiedener Rassen’.” Wer zum deutschen Volk gehört, wird auch bei der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft (ADB) nicht an der Staatsbürgerschaft festgemacht oder daran, wer innerhalb der deutschen Staatsgrenzen lebt.

“1. Das Bekenntnis zum Vaterland verpflichtet den Burschenschafter zum Eintreten für die Belange des deutschen Volkes unabhängig von staatlichen Grenzen.

2. Das deutsche Volk ist die Gemeinschaft derjenigen, die durch deutsche Sprache, Kultur und Wertvorstellungen verbunden sind und sich zur deutschen Geschichte und Tradition bekennen.”

Entgegen einem republikanisch-liberalen Verständnis rekurrieren beide Dachverbände also auf einen deutschen Staat, der über alle angeblichen „deutschen Volksgruppen“ herrscht, also auch über Gebiete, die außerhalb der aktuellen Staatsgrenzen liegen.

Keine Einzelfälle

Immer wieder beteiligen sich insbesondere Burschenschaften an Kampagnen gegen Geflüchtete und teilen insbesondere antimuslimische Ressentiments in den sozialen Netzwerken. Ein rassistischer Vorfall, der auch mediale Aufmerksamkeit erhielt, ereignete sich 2009, nachdem die Kölner Burschenschaft Alemannia ein schwarzes Mitglied bei den Burschentagen in Eisenach als Charge aufgestellt hatte. Extrem rechte Vertreter der Burschenschaftlichen Gemeinschaft wurden deswegen derart ausfällig, dass die Alemannia ihre Teilnahme an den Burschentagen zurückzog. Benjamin Nolte, Alter Herr der Danubia und AfD-Funktionär, trat nach und überreichte Mitgliedern der Alemannia beim abendlichen Besäufnis im Eisenacher Brunnenkeller eine Banane, während andere Teilnehmer rassistische Gesänge anstimmten. Die Aktion brachte dem AfD-Funktionär den Spitznamen „Bananen-Nolte” ein.

Hinweis: Dieser Text wurde aus Kapiteln des Buches „Gehorchen und herrschen – Ideologie und Praxis studentischer Verbindungen“ entnommen und für die bessere Lesbarkeit leicht verändert.

Bilder

Bild 1: Das als „White-Power“-Geste diskutierte Handzeichen wird in extrem rechten Kreisen verwendet und soll die Überlegenheit Weißer ausdrücken. Foto: Lina Dahm

Quellen

Hinweis: Das vollständige Quellenverzeichnis finden Sie im Buch „Gehorchen und herrschen“.

Montero, Enrique Leon: Reise nach Germania – Part II [Instagram], 13.2.2021, www.instagram.com/p/CLPRI8Gq7I2/

Wochenanzeiger: Erfolgreiche Mediation zwischen Anwohnern der Rauchstraße, in: Münchner Wochen Anzeiger, 1.11.2012, www.wochenanzeiger.de/article/117721.html (zuletzt abgerufen: 13.5.2022 um 9:36 Uhr)

Brasch, Sonja: Burschenschafter und andere Korporierte. Im Netzwerk der extremen Rechten, in: Lotta 76/2019: www.lotta-magazin.de/ausgabe/76/burschenschafter-und-andere-korporierte (zuletzt abgerufen: 26.6.2023 um 16:01 Uhr)

web.archive.org/web/20200519164140/https:/burschenschaft.de/burschenschaft-was-ist-das/kurzportrait-der-db.html (zuletzt abgerufen: 18.1.2023 um 11:30 Uhr)

Kurth, Alexandra/Weidinger, Bernd: Burschenschaften: Geschichte, Politik und Ideologie, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 26.9.2017, www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/256889/burschenschaften-geschichte-politik-und-ideologie/ (zuletzt abgerufen: 18.1.2023 um 12:15 Uhr)

allgemeine-burschenschaft.de/unsere-grundsaetze (zuletzt abgerufen: 18.1.2023 um 11:35 Uhr)

Peter, Erik: Bananen-Nolte macht Karriere, in: taz, 26.3.2017, taz.de/Burschi-in-der-Nachwuchs-AfD/!5045592/ (zuletzt abgerufen: 3.11.2023 um 18:45 Uhr)