Am 29. September 2024 fand in München eine Demonstration radikaler Abtreibungsgegner*innen unter dem Motto „1000 Kreuze für das Leben“ mit rund 120 Personen statt. Unter den Teilnehmenden waren auch Vertreter*innen der christlichen beziehungsweise extremen Rechten.
Die sogenannten „1000-Kreuze-Märsche“ richten sich gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und finden seit spätestens 2008 in München, aber auch seit vielen Jahren ebenfalls in Fulda, Münster oder Salzburg statt. Im Zuge dieser antifeministischen Demonstrationen tragen die Teilnehmenden weiße Holzkreuze, singen religiöse Lieder und beten. Teil der Versammlungen ist stets eine „Rosenzeremonie“, bei der die Organisator*innen eine „Trauerfeier“ für abgetriebene Föten inszenieren. Dabei werden Namen verlesen und eine Glocke geläutet, zu der die Teilnehmenden Rosen um einen Kindersarg verteilen, der mit Plastikföten gefüllt ist.
Bei der Zwischenkundgebung am Friedensengel beklagte der Organisator der Märsche, Wolfgang H., eine Verhärtung des Diskurses, die auch die Teilnehmenden zu spüren bekämen. „In einer unglaublichen Propaganda der sogenannten Leitmedien wird gegen uns gehetzt als Rechtsextremisten“, sagte H. und erklärte, dass er „keinen einzigen kenne“. Die Berichterstattung sei, so H., „eine gängige Taktik, um uns den Wind aus den Segeln zu nehmen und zu diskriminieren“.
Dass die von Wolfgang H. diskreditierten Medien von einer Rechtsoffenheit der „Lebensschutz“-Szene berichten, ist jedoch begründet. In der Vergangenheit gab es wiederholt Vorfälle mit extrem rechten Akteur*innen bei Versammlungen von Abtreibungsgegner*innen. Auch beim diesjährigen „1000 Kreuze Marsch“ in München war unter den Teilnehmenden Maximilian H., der seit Jahren Teil der extremen Rechten ist. Bilder zeigen den Kampfsportler unter anderem 2019 mit einem Banner der „Identitären Bewegung“ in München und bei Aktionen der extrem rechten Gruppierung in Stuttgart 2020.
Mit dabei war zudem eine fünfköpfige Gruppe aus dem Umfeld der rechtsklerikalen und homofeindlichen Piusbruderschaft, die laut Lucius Teidelbaum „inhaltlich sowohl Teil der extremen als auch der christlichen Rechten ist“. Die Piusbruderschaft zeigt, dass die fundamentalistischen Strömungen innerhalb der christlichen Rechten extrem rechte Überschneidungen, Anschlüsse und Einschläge aufweisen.
In seinen Reden legte der Organisator der Märsche Wolfgang H. den Fokus zudem immer wieder auf die zahlreichen Gegendemonstrant*innen, die den Marsch kontinuierlich mit Parolen und Schildern begleiteten. Der Grund für ihren Protest so H. sei nicht rational, sondern ein Ergebnis der Berichterstattung von Medien oder einer womöglich unschönen Kindheit. Ein Sitzblockade-Versuch mehrerer Aktivist*innen wurde von der Polizei schnell unterbunden.
Der Verein „EuroProLife“, der sich selbst als „europäische Stimme der ungeborenen Kinder“ bezeichnet, zählt seit seiner Gründung 2007 zu den aktivsten „Lebensschutz“-Vereinen in Deutschland. Neben den „1000-Kreuze- Märschen“ organisiert der Schwesterverein „Helfer für Gottes kostbare Kinder e. V.“ monatliche Gebetsmärsche zu einer Beratungsstelle von „pro familia“ in der Münchner Türkenstraße sowie diversen Kliniken, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.
Die selbsternannte „Lebensschutz“-Bewegung ist in München besonders aktiv, jedes Jahr gibt es rund 20 Veranstaltungen verschiedener Vereine und Einzelpersonen, die sich gegen reproduktive Rechte richten. Die größte Veranstaltung ist der seit 2021 stattfindende „Marsch fürs Leben“, der im April dieses Jahres rund 3.000 Abtreibungsgegner*innen anzog.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in unserer Broschüre „Die selbsternannte Lebensschutz-Bewegung. Antifeministische Agitation gegen körperliche Selbstbestimmung“.